#IndustrieGefragt: Drei Fragen an Dr. Daniel Kipp
„Als Ideengeber, Berater und Moderator entwickeln wir Nordostniedersachsen zu einem Wasserstoff-Ökosystem“
Dr. Daniel Kipp ist Projektleiter des Regionalmanagements des Wasserstoffnetzwerks Nordostniedersachsen (H2.N.O.N) und arbeitet beim Beratungsunternehmen MCON Dieter Meyer Consulting mit Sitz in Oldenburg. Er zeigt, wie eine regionale Industrieinitiative als Netzwerkhub die Entwicklung von elf Landkreisen zu einer Modellregion für Wasserstoff aktiv vorantreibt und damit ganz neue Wertschöpfungsketten aufbaut.
Wie steht es aktuell um die Produktion und Nutzung von Wasserstoff in Nordostniedersachsen?
Unsere Region ist für die Produktion von grünem Wasserstoff besonders prädestiniert. In Nordostniedersachsen stehen große Mengen an erneuerbaren Energien bereit. Für die Produktion müssen hier Windkraftanlagen – auch in Kombination mit Photovoltaikanlagen – an erster Stelle genannt werden. Auch stark in unserer Region ist die Erzeugung von Biogas, aus dem über bestimmte Verfahrensschritte ebenfalls Wasserstoff hergestellt werden kann. Zum Beispiel wird aktuell im Landkreis Uelzen ein Biomassereaktor geplant. Bei diesem wird aus Bioabfällen – wie Grünschnitt, Zwiebel- oder Kartoffelschalen – über Vergasungsprozesse Wasserstoff hergestellt. Neben diesen Spezialanwendungen wird die Elektrolyse bei uns zukünftig sicherlich den größten Anteil an der Produktion einnehmen. Wir verstehen unsere Region als Wasserstoff-Ökosystem, das sich auf unterschiedlichen Ebenen entwickelt und ergänzt. Zur Herstellung gehören aus unserer Sicht auch die Bereiche Import-, Transport- und Speicherinfrastruktur. Hier geschieht in Nordostniedersachsen auch sehr viel. Stichworte sind die geplante Hyperlink-Pipeline von Dänemark in die Niederlande, die als Teil des europäischen Wasserstoff-Backbones durch den Norden laufen wird. Auch der Wasserstoffspeicher sowie das projektierte LNG-Terminal in Stade, welches perspektivisch auch Wasserstoff gebunden in Ammoniak transportieren soll, sind Beispiele. Was die Region auf der Nutzerseite auszeichnet, ist das Fehlen von großen Industrieunternehmen, bei denen Wasserstoff in den Produktionsprozessen eine ausschlaggebende Rolle spielt. In der aktuellen Markthochlaufphase ist die entscheidende Frage: „Wo ist welche Form des Wasserstoffs wirtschaftlich einsetzbar?“ Aus unserer Sicht ist in unserer Region in der aktuellen Phase Wasserstoff vor allem als Energieträger für den Bereich des Lastverkehrs interessant. Daher arbeiten wir am Aufbau eines regionalen Netzwerks von Wasserstofftankstellen. Mit den hiesigen Spediteuren bauen wir ebenfalls ein Netzwerk auf, damit diese wasserstoffbetriebene Fahrzeuge anschaffen. Auf dieses Weise wollen wir Verkehrsflüsse dekarbonisieren.
Welche Potenziale sehen Sie im Wasserstoff in der Region?
Wir und auch unsere Nachbarn – wie etwa Hamburg – verstehen uns als Produktionsstandort. Um wieder das Beispiel der Wasserstofftankstellen aufzugreifen: Tankstellenbetreiber, die in das Thema Wasserstoff einsteigen möchten, wollen diesen Wasserstoff lokal beziehen. Aktuell sichert nur lokal produzierter Wasserstoff einen günstigen Preis für den Endverbraucher. Es ist schnell unwirtschaftlich, Wasserstoff, der in einem Windpark produziert wurde, über 100 Kilometer oder mehr zu einer Tankstelle zu transportierten. Die Transportkosten sind einfach zu hoch. Dasselbe gilt aktuell auch, wenn Wasserstoff über Pipelines an die Tankstelle geliefert wird. Daher liegt in unseren Augen das Potenzial für die Region in dem Schaffen von lokalen Clustern, die Nachfrage und Angebote zusammenbringen. Aus diesen Clustern können sich regionale Wertschöpfungsketten entwickeln. Dieser Ansatz ist eine große Chance für eine eher strukturschwache Region wie Nordostniedersachsen. Auf der industriellen Abnehmerseite müssen wir in unserer Region auf die Verbindung zu den Oberzentren zurückgreifen. Hier ist eine Zusammenarbeit etwa mit Hamburg sehr interessant. Dazu arbeiten wir aktuell mit Hamburg an der Entwicklung gemeinsamer Projekte.
Welchen Beitrag leistet das „Wasserstoffnetzwerk Nordostniedersachsen“ für den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft?
Das Wasserstoffnetzwerk Nordostniedersachsen ist ein Zusammenschluss von interessierten regionalen Akteuren zum Thema Wasserstoff. Aktuell umfasst es 125 Mitglieder. Auf der operativen Ebene hat sich das Netzwerk ein Regionalmanagement gegeben, welches durch die 11 Landkreise finanziert und die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW) gefördert wird. Durch diesen Förderhintergrund ist es unsere Aufgabe, insbesondere Wirtschaftsperspektiven des Wasserstoffs für die Region zu heben und zu unterstützen. Wir sind Ideengeber, Berater, Moderator sowie Motor für diesen Aufbauprozess. Wir finden und vernetzen Akteure, die sich engagieren möchten. Dabei stoßen wir aktuell auf große Bereitschaft und bauen ein Netzwerk von Umsetzern auf. Wir bringen Nachfrage- und Angebotsseite zusammen. Weiterhin sind wir im Bereich der Beratung aktiv: Hier ist das Thema Förderung wichtig. Die meisten Projekte, die bei uns umgesetzt werden, arbeiten aktuell noch nicht wirtschaftlich. Sie werden durch Fördermittel unterstützt. Hier helfen wir und zeigen Möglichkeiten auf. Wir nehmen bei unserer Arbeit immer unser gesamtes Gebiet, welches aus 11 Landkreisen besteht, in den Blick und möchten durch unsere Aktivitäten die Region als Ganzes in Richtung einer Wasserstoff-Modellregion entwickeln.
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Kontakt:
Dr. Daniel Kipp
Wasserstoffnetzwerk Nordostniedersachsen (H2.N.O.N)
Web: https://www.h2non.de/
Kontakt: d.kipp@h2non.de