#IndustrieGefragt: Drei Fragen an Dr. Tim Husmann
„Deutschland muss den Turbo im Ausbau der erneuerbaren Energien-Erzeugungsanlagen zünden.“
Dr. Tim Husmann ist Leiter der Geschäftsstelle der H2-Region Emsland in Lingen. Die Initiative ist der Zusammenschluss der Wasserstoffakteure in der Region Emsland und wird gemeinsam vom Landkreis Emsland und der Stadt Lingen getragen. Das Ziel aller Akteure ist es, mit ihren Projekten eine nachhaltige Energiewirtschaft mit grünem Wasserstoff in der Region voranzutreiben. Bei #IndustrieGefragt spricht Dr. Tim Husmann über seine Faszination für Wasserstoff, die Potenziale des Energieträgers für die Region sowie für ganz Deutschland.
Was macht für Sie persönlich die Faszination von Wasserstoff aus?
Wasserstoff ist in einem nachhaltigen Energiesystem vielseitig einsetzbar. Das fasziniert mich ganz besonders an diesem Molekül. Ich bin von Haus aus Physiker und komme aus dem Bereich der Astrophysik. Früher habe ich an dem Thema „Interaktion von Wasserstoff-Molekülen an Oberflächen“ gearbeitet. Damals noch unter dem Gesichtspunkt, dass Wasserstoff das häufigste Element im Universum ist. Heute betrachte ich Wasserstoff nicht nur aus dem technologischen, sondern vielmehr auch aus dem wirtschaftlichen Blickwinkel. Mich fasziniert dabei, dass Wasserstoff in der defossilisierten Wirtschaft der Zukunft eine essenzielle Rolle spielen wird. Insbesondere in der Industrie. Dort ist Wasserstoff bereits heute elementar. Grüner Wasserstoff kann in Prozessen eingesetzt werden, die jetzt noch auf fossiler Basis laufen und wird so dazu beitragen, die Industrie als einen der Hauptemittenten von CO2 zu defossilisieren.
Wasserstoff im Emsland: Welche Potenziale sehen Sie für die Region?
Mit einem jährlichen Bedarf von rund 40.000 Tonnen Wasserstoff ist das Emsland eine Wasserstoffsenke. Der hohe Bedarf liegt maßgeblich in den hiesigen Raffinerien sowie im kleineren Maße in der chemischen Industrie. Daher haben wir uns im Emsland schon frühzeitig mit der Frage beschäftigt: „Wie kommen wir weg vom grauen und hin zum grünen Wasserstoff?“ Aufgrund der Nähe zur Küste und der hohen Verfügbarkeit von erneuerbaren Energien, der Ressource Wasser und der nutzbaren Infrastruktur – insbesondere in den Pipeline-Segmenten – ist das Emsland für die Produktion von größeren Mengen an grünem Wasserstoff bestens qualifiziert.
Das Potenzial zeigt sich in bestehenden und geplanten Projekten: Bereits heute ist eine 6 Megawatt Elektrolyse in Betrieb, im Jahr 2023 kommen zwei Test-Elektrolyseure mit insgesamt 14 Megawatt hinzu. Unsere Möglichkeiten der Skalierung sind dabei enorm: Bis 2026 sind insgesamt über 400 Megawatt Elektrolyseleistung allein in Lingen geplant und bis zu 2,4 Gigawatt an Elektrolyseleistung sind möglich. Das Emsland hat damit das Potenzial, der größte Onshore-Produktionsstandort für grünen Wasserstoff in Deutschland zu werden. Hierin liegt nicht nur eine Chance für die Industrie vor Ort, auch für die Mobilität spielt diese Entwicklung eine große Rolle: Das Emsland liegt an der Hauptverkehrsroute des North Sea–Baltic-Korridors des transeuropäischen Netzes. Bei uns sind das die A 30, aber auch die E 233 und A 31, die maßgeblich von LKWs frequentiert werden. Für diesen Warentransport braucht es perspektivisch ein dichtes Versorgungsnetz mit Wasserstofftankstellen.
Welche Chancen bietet Wasserstoff in Ihren Augen für die Industrie in Deutschland?
Der Einsatz von grünem Wasserstoff ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer CO2-neutralen Industrieproduktion in Deutschland. Zudem bietet die Entwicklung von Technologien zur Produktion, Speicherung und Verwendung von grünem Wasserstoff vielseitige Chancen für deutsche Unternehmen, sowohl national als international. Deutschland ist stark im Export von Hochtechnologien und die bisherigen Entwicklungen bei der Elektrolysetechnologie bieten hervorragende Möglichkeiten für Deutschland, in diesem Bereich Technologievorreiter zu werden. Entlang der Wertschöpfungskette erwarten wir in den nächsten Jahren vielseitige Innovationen. Grüner Wasserstoff erhöht darüber hinaus die Chance, wichtige Industrien im Land zu halten, etwa bei der Stahlherstellung oder der Automobilindustrie. Um das zu erreichen, muss in Deutschland der Turbo im Ausbau der erneuerbaren Energien-Erzeugungsanlagen gezündet werden. Auch die aktuelle schwierige Situation an den Energiemärkten gibt zusätzlichen Antrieb, um die Wasserstoffwirtschaft weiter auszubauen und die notwendigen Entwicklungen voranzutreiben.
_________________________________________________________
Kontakt zu Dr. Tim Husmann / H2-Region Emsland
E-Mail: husmann@it-emsland.de
Telefon: +49 (0) 591 8076 983