
#IndustrieGefragt: Drei Fragen an Jana Eiser-Mauthner
„Die beiden großen Potenziale der Digitalisierung sehe ich in der Entwicklung von Ökosystemen und im Bereich der Nachhaltigkeit und klimaneutralen Produktion.“
Jana Eiser-Mauthner ist Projektleiterin der Allianz Industrie 4.0. Das Netzwerk ist vom Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg gefördert und beim VDMA e.V. angesiedelt. Ziel der Allianz ist die Förderung von Digitalisierungs- und Innovationsprozessen, insbesondere durch die Unterstützung von KMU, um Baden-Württemberg als weltweit führende Region im Bereich Industrie 4.0 zu etablieren. Durch ihre Arbeit, Unternehmen im Prozess der Digitalisierung zu begleiten, erlebt Jana Eiser-Mauthner hautnah die Bedürfnisse und Herausforderungen der Industrie. Bei #IndustrieGefragt spricht Frau Eiser-Mauthner über die Industrie im Ländle, die Potenziale und Akzeptanz von Digitalisierung.
Was macht die Industrie im Ländle so besonders?
In „The Länd“, wie sich Baden-Württemberg inzwischen nennt, haben wir eine sehr spannende Zusammensetzung von Unternehmen. Auf der einen Seite finden sich Industriegiganten wie Mercedes Benz, IBM oder die Robert-Bosch GmbH, auf der anderen Seite ist die Industriestruktur stark von kleinen und mittleren Unternehmen geprägt, insbesondere von Unternehmen mit bis zu 250 Beschäftigten. Letztere, weithin als „Hidden Champions“ bekannt, sind oft Weltmarktführer mit hohem Innovationsgrad, insbesondere in den produzierenden Branchen. Hier sind der Fahrzeugbau, die Elektrotechnik und der Maschinen- und Anlagenbau besonders hervorzuheben. Im europäischen Vergleich verfügt Baden-Württemberg über eine hohe Innovationskraft; ein großer Teil des Bruttoinlandsprodukts wird für Forschung und Entwicklung wie zum Beispiel Quantencomputing ausgegeben, sowohl durch Förderprogramme als auch durch die Unternehmen selbst. Bei relevanten Transformationsthemen wie der Elektromobilität verändert sich derzeit viel, sowohl für die Unternehmen vor Ort als auch für die Zulieferer. Das ist nicht einfach, sondern die Region steht vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen: die Unternehmen müssen sich wandeln und die neuen Technologien umfassend nutzen, um weltweit wettbewerbsfähig zu bleiben.
Sie beschäftigen sich in Ihrer Initiative mit Industrie 4.0. Welche Potenziale sehen Sie in Baden-Württemberg?
Ich sehe großes Potenzial für alle Unternehmen, sich auf den Weg der Digitalisierung zu begeben. Bei Themen wie der Vernetzung von IT-Systemen, der Datenerfassung, Big Data oder der Systemautomatisierung sind die großen Unternehmen bereits vorne dabei, aber auch kleine und mittelständische Unternehmen können und müssen durch eine umfassende Digitalisierung von Prozessen und Produkten neue Potenziale erschließen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Unternehmen sollten sich außerdem überlegen, wie sie in Ökosystemen, also unternehmens- und wertschöpfungskettenübergreifend, zusammenarbeiten können. Auf diese Weise können Unternehmen nicht nur Daten austauschen, sondern auch auf Plattformen kooperieren und sich miteinander vernetzen, um zusammen produktiv zu sein, gemeinsame Produkte und Geschäftsmodelle zu entwickeln und nachhaltiger zu werden. Wir haben jetzt die große Herausforderung der Klimaneutralität in der Wertschöpfung vor uns. Hier müssen Digitalisierung und Klimaneutralität konsequenter zusammengedacht werden. Das bedeutet auch, dass die Digitalisierung nachhaltig gestaltet werden muss, und zwar branchenübergreifend, denn manche Prozesse sind strom- und kostenintensiv, weil sie eine starke Rechnerleistung erfordern. In der Industrie sehe ich die Notwendigkeit und das Potenzial, digitale Technologien für mehr Nachhaltigkeit und klimaneutrale Produktion zu nutzen, beispielsweise durch vorausschauende Wartung und Instandhaltung sowie intelligentes Erfassen von Verbrauchsdaten und die Erstellung von Prognosen. Hier kommen Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft ins Spiel. Die beiden großen Potenziale der Digitalisierung sehe ich daher in der Entwicklung von Ökosystemen und im Bereich der Nachhaltigkeit und klimaneutralen Produktion.
Wie schätzen Sie die Akzeptanz von Industrie 4.0 in der baden-württembergischen Industrie ein und mit welchen Formaten tragen Sie dazu bei, diese zu steigern?
Aufgrund meiner Gespräche mit Unternehmensvertreterinnen und -vertretern weiß ich, dass die Akzeptanz in den letzten Jahren stark gestiegen ist. Viele Unternehmen haben bereits Digitalisierungsprojekte umgesetzt. Jetzt befinden wir uns in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation, in der Unternehmen genau überlegen müssen, wie sie ihre Ressourcen einsetzen, nicht nur Rohstoffe, sondern auch finanzielle Ressourcen und Personalkapazitäten. Eine weitere Herausforderung ist sicherlich die Angst, dass Arbeitsplätze durch Maschinen ersetzt werden, so dass die Akzeptanz noch weiter verbessert werden muss.
Daher reicht es nicht mehr aus, Unternehmen lediglich über Industrie 4.0 und Digitalisierung zu informieren. Wir müssen jetzt mehr in das „Doing“ einsteigen. Was wir jetzt brauchen, sind geeignete Unterstützungsinstrumente auf der Arbeits- und Produktionsebene. Die Allianz Industrie 4.0 bietet zum Beispiel ein gefördertes Industrie 4.0-Scouting an, bei dem eine Fachberatung kleinen und mittleren Unternehmen hilft, Digitalisierungspotenziale und konkrete Projektideen zu identifizieren. Außerdem organisieren wir im Rahmen der Veranstaltungsreihe STARTUP THE FUTURE Matchmaking zwischen produzierenden Unternehmen und Tech-Start-ups, um konkrete Projekte umzusetzen und Schlüsselthemen wie Cybersecurity verständlich zu vermitteln. Wir brauchen einen Mix aus Informationsveranstaltungen zu übergreifenden Themen, aber auch mehr zu Fachthemen, und dann individuelle Unterstützung für Unternehmen, um die Digitalisierung voranzutreiben und die Akzeptanz weiter zu erhöhen.
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Kontakt zu Jana Eiser-Mauthner/ der Allianz Industrie 4.0 Baden-Württemberg
E-Mail: jana.eiser-mauthner@vdma.org
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