Veranstaltung | Grenzen überwinden – Potenziale europäischer Kooperation für die Wasserstoffwirtschaft der Zukunft in Aachen
Unter dem Motto Grenzen überwinden – Potenziale europäischer Kooperation für die Wasserstoffwirtschaft der Zukunft luden die Service- und Beratungsstelle für regionale Industrieinitiativen, der Hydrogen Hub Aachen, das h2-netzwerk-ruhr aus Herten sowie die Deutsch-Niederländischen Handelskammer am 7. Juni gemeinsam in die IHK nach Aachen ein.
Entlang der 395 Kilometer langen Grenze zwischen den Niederlanden und Nordrhein-Westfalen gibt es bereits zahlreiche Wasserstoffprojekte. Die Region hat aufgrund ihrer Standortfaktoren, wie ihrer Verfügbarkeit von erneuerbarer Energie, ihrer Industriedichte und ihrer historisch engen Beziehung zum Nachbarland das Potenzial eine wichtige Vorreiterrolle für die europäische Wasserstoffwirtschaft zu spielen. Insgesamt 61 Personen aus Unternehmen, Wissenschaft, Politik sowie regionalen Industrieinitiativen folgten der Einladung nach Aachen. Sie tauschten Erfahrungen aus bestehenden Kooperationen auf europäischer Ebene und zu Markteintritten aus. Weiter identifizierten sie Anknüpfungspunkte für die weitere Zusammenarbeit hinsichtlich der Infrastruktur und Wertschöpfung, besonders auf der Ebene des industriellen Mittelstands.
Nach einer Begrüßung der IHK Aachen als Gastgeberin und einem Grußwort aus dem Bundeswirtschaftsministerium gab Inga Söllner von Energy4Climate.NRW den Teilnehmenden einen kurzen Überblick über die geografischen und standortbedingten Potenziale der Region und den künftigen Wasserstoffbedarf für Industrie, Transport und die Herstellung von Flüssigkraftstoff sowie über Importmöglichkeiten. Sie beleuchtete das Großprojekt GET H2, das den Aufbau einer grenzüberschreitenden Infrastruktur zwischen den Niederlanden und Nordrhein-Westfalen bis 2030 vorsieht, sowie RH2INE, bei dem es um die Verwendung von H2 im Güterverkehr geht.
Im Folgenden wurde der Blick auf die Potenziale der Netzwerkarbeit für die deutsch-niederländische Kooperation gelenkt. Moderator Aldo Lodder von der Deutsch-Niederländischen Auslandshandelskammer interviewte mit Annadora Voß (Hydrogen Hub Aachen) und Dr. Désirée Schulte (h2-netzwerk-ruhr) zwei Wasserstoffinitiativen aus dem Netzwerk der Service- und Beratungsstelle für regionale Industrieinitiativen sowie Adwin Martens (WaterstofNet), der einer deutsch-niederländisch-belgischen Wasserstoffinitiative vorsteht. Alle drei Initiativen sehen in der grenzüberschreitenden Kooperation eine Win-Win-Situation für ihre Mitglieder und organisieren daher vielfältige Formate, um Erstkontakte für Unternehmen zu initiieren. In Zukunft wollen sie noch aktiver in diesem Bereich werden. Die Initiativen wiesen darauf hin, dass Leuchtturmprojekte der Wasserstoffnutzung im Bereich Verkehr vorteilhaft seien, um die Aufmerksamkeit auch für die Nutzung in der Industrie zu generieren.
Die anschließende Podiumsdiskussion gliederte sich in die beiden Themenblöcke „Infrastruktur“ und „Anwendung im Mittelstand“ auf. Zu Beginn jedes Themenblocks gab es ein kurzes Unternehmensblitzlicht, bei dem Vertreter von Unternehmen auf beiden Seiten der Grenze ihre Erfahrungen zum Stand der derzeitigen Kooperation im Bereich Wasserstoff schilderten. Für den Block „Infrastruktur“ präsentierte Dr. Rainer vor dem Esche, General Manager von NPROXX GmbH, die Sichtweise des zurzeit stark expandierenden Unternehmens für Wasserstoffspeicherlösungen. Er hob hervor, dass ein Hochlauf ohne Speicherlösungen nicht funktionieren könne. Daher habe sich NPROXX bereits sehr frühzeitig auf den niederländischen Markt begeben, u. a. um auch dort kundige Fachkräfte zu rekrutieren. Das Unternehmen plant den Aufbau von Kooperationen zur Wasserstoffnutzung auch über lokale Plattformen, will also Akteurinnen und Akteure vor Ort zusammenbringen, die dezentral und unbürokratisch gemeinsam Projektideen umsetzen.
Im zweiten Block „Anwendungen im Mittelstand“ skizzierte Thomas Rixgens, Geschäftsleiter der Griesemann-Gruppe, einem mittelständischen Anlagenbauer, aktuelle Kooperationsformen und die damit einhergehenden Chancen und Herausforderungen. Er forderte, dass es im Hinblick auf die Konkurrenz zu anderen globalen Akteuren klare Richtlinien aus der Politik geben müsse, um die Kooperation künftig einfacher zu machen. Insbesondere fehle vielen Unternehmen ein konkretes Geschäftsmodell mit einem ausgereiften Nutzungsplan zum Einsatz von Wasserstoff, denn „zehn Kühlschränke ergeben noch kein Kühlhaus“, so Rixgens.
Auf dem Podium vertreten waren:
- Annadora Voß, Projektmitarbeiterin des Hydrogen Hub Aachen
- Adwin Martens, Direktor des WaterstofNet
- Roel van de Pas, Vice President Strategy & Industrialization bei Nedstack Fuel Cell Technology B.V., einem niederländischen Brennstoffzellenhersteller
- Dr. Stefan Herrig, Projektmanager Industrie und Produktion bei NRW. Energy4Climate
- Heinz-Uwe Lewe, Referent Energiesystem der Zukunft, Wasserstoff, Klimaschutz in der Industrie im Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie NRW
Die Podiumsdiskussion verdeutlichte, dass grüner Wasserstoff künftig einen entscheidenden Beitrag zur Dekarbonisierung der Industrie leisten kann. Dafür muss der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft allerdings beschleunigt werden – dies geht nur im europäischen Schulterschluss. Aus der Diskussion ging hervor, dass sich die Industrieinitiativen klare politische Rahmenbedingungen, schnelle Entscheidungsprozesse und einfachere Genehmigungsverfahren wünschen. Dies sei noch wichtiger als staatliche Förderprogramme. In beiden Partnerländern besteht großes Interesse an einer Zusammenarbeit, doch die oftmals nationalen Förderstrukturen und die unterschiedlichen Standards in beiden Ländern erschwerten die Umsetzung. Gerade kleinere Unternehmen könnten es sich nicht leisten, personelle Ressourcen einzig und allein für die Antragstellung aufzuwenden. Die sehr individuelle Bedarfslage mache eine schematische Branchenlösung für die Verwendung von Wasserstoff oder eine einfache Priorisierung der Nutzung unmöglich. Daher gelte es, individuelle Lösungen zu konzipieren, die den Mittelstand von vorneherein mitdenken. Die Vorteile der Zusammenarbeit sahen die Teilnehmenden in der gesteigerten Nachfrage durch einen gemeinsamen Markt, einer besseren Skalierung und effizienteren Nutzung der Infrastruktur, der Dekarbonisierung der (energieintensiven) Industrie sowie eines beidseitigen Wissens- und Fachkräftetransfers. Es bedarf nur etwas Mut, neue innovative Wege ergebnissoffen zu gehen, so der Tenor der Veranstaltung.
Im Nachgang der Veranstaltung nutzten die Teilnehmenden die Möglichkeit, die Diskussionsthemen zu vertiefen und zu Netzwerken.