
Wettbewerbsfähigkeit durch eine starke Infrastruktur – oder wie „ChemDelta Bavaria“ den Anschluss fand…
Die Industrieinitiative „ChemDelta Bavaria“ setzt sich seit ihrer Gründung im Jahr 2007 für die Interessen der chemischen Industrie in der Region Südostbayern ein. Zu ihren Mitgliedern zählen 18 Unternehmen aus dem bayerischen Chemiedreieck und die bayerischen Chemieverbände. Die Sicherung und der Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaftsregion im Einklang mit Mensch und Umwelt, der Ausbau und die Modernisierung der Infrastruktur und die Erhöhung der Attraktivität des Standorts u. a. mit dem Ziel von Neuansiedlungen und der Akzeptanzverbesserung sowie Nachwuchssicherung gehören zu den zentralen Zielen von „ChemDelta Bavaria“. Die Initiative kann bis heute eine Reihe von Erfolgen in der Interessenvertretung regionaler Chemieindustrie verbuchen, darunter große Meilensteine wie die Verlängerung einer bestehenden Ethylen-Pipeline aus dem Norden bis in den Süden Deutschlands. Nun steht sie vor der Herausforderung, langfristig eine moderne und belastbare Energieversorgung mit Wasserstoff sicherzustellen – und kann dabei auf bewährte Instrumente und Strategien zurückgreifen.
Das bayerische Chemiedreieck – Namensgeber für „ChemDelta Bavaria“ in englischer Sprache – besteht aus 25 Unternehmen der chemisch-pharmazeutischen Industrie und ist ein bedeutender regionaler Arbeitgeber für etwa 25.000 Menschen im Südosten Bayerns. Dort werden jährlich Umsätze von mehr als acht Milliarden Euro erzielt, über drei Milliarden Euro davon wurden in den letzten Jahren in moderne Industrieanlagen investiert. [1]
Der Kampf um die Ethylen-Pipeline Süd
Ethylen zählt zu den Grundchemikalien der Chemie- und Pharmaindustrie und bildet die Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg vieler Unternehmen. Hergestellt in Streamcracken unter sehr hoher Hitze und Druck, ist es eines der wichtigsten Produkte der Erdölchemie auf Basis des Naphtha- oder Gasöl-Rohmaterials. Ethylen ist zudem Bestandteil vieler Produkte des täglichen Gebrauchs und aus dem modernen Alltag in zahlreichen Industriezweigen und zu Hause kaum wegzudenken.
Der Transport von Ethylen für die Weiterverarbeitung ist in fluider, verdichteter Form über Leitungssysteme möglich. Ein Transport des leichtentzündlichen Ethylens per Lastwagen ist aus Sicherheitsgründen ausgeschlossen. Aus diesem Grund konnte Ethylen im bayerischen Chemiedreieck nur vor Ort produziert und verarbeitet werden.[2]
Ethylen (auch Ethen) kommt in der freien Natur als ein gasförmiges Pflanzenhormon vor, das die Reifungsprozesse bei Früchten und Gemüse steuert. Deswegen werden unreif gepflückte und importierte Südfrüchte und Gemüse mit Ethylen begast und somit künstlich vor dem Verkauf nachgereift. Ethylen bildet die Grundlage für viele industriell hergestellte Endprodukte des täglichen Gebrauchs von Schädlingsbekämpfungsmitteln, Wasch- und Reinigungsmitteln, pharmazeutischen Präparaten und Rohstoffen bis zu Kunststoffen für zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten wie Verpackungsmaterial und Getränkeflaschen, Dämmstoffe, Fußbodenbeläge, Fensterrahmen usw.
Seit 1972 sorgte eine ältere, regionale Ethylen-Pipeline für eine Verbindung der petrochemischen Anlage Münchsmünster bei Ingolstadt mit dem bayerischen Chemiedreieck. Der fehlende Anschluss des letzten Abschnitts an das bundesweite Netz brachte jedoch immense Wettbewerbsnachteile für die nicht angeschlossenen Unternehmen mit sich. Dies war der Auslöser für „ChemDelta Bavaria“, sich aktiv für einen Anschluss an das überregionale Netz einzusetzen.
Für den Bau dieser industriellen Lebensader durch die „EPS-GmbH“, einem Zusammenschluss von Ethylenerzeugern und -verbrauchern, wurden EU-Fördermittel eingeworben und es mussten über 10.000 Grundstückseigentümer/-innen und Pächter/-innen überzeugt werden, damit die Pipeline unterirdisch verlegt werden konnte. Die Kosten der Pipeline beliefen sich auf rund 220 Mio. Euro. Eine tragende Säule dabei waren die Förderbeiträge der bayrischen Landesregierung mit 45 Mio. Euro und die EU-Fördergelder, für die sich die bayerische Regierung in der EU einsetzte.
„ChemDelta Bavaria“ entwickelte mit den Mitgliedsunternehmen eine mehrstufige Strategie, um in der Politik Aufmerksamkeit und Rückhalt für ihr Anliegen zu erlangen: Diese sollte die Bedeutung Chemieindustrie für die Region hervorheben und Anerkennung für die Leistungen der Mitgliedsunternehmen bringen. Im ersten Schritt organisierte „ChemDelta Bavaria“ eine mehrwöchige Ausstellung im Foyer des Bayerischen Landtags. Hier stellten die Unternehmen ihre Produkte und Tätigkeitsfelder vor und traten in den Dialog mit den Abgeordneten und der Öffentlichkeit. Berichte zu dieser Aktion wurden überregional veröffentlicht. Parallel dazu ging ChemDelta im Rahmen der Ausstellung gezielt auf Vertreter/-innen der Politik zu. Sie hielten Präsentationen für jede Landtagsfraktion, in denen die Herausforderungen und Chancen einer Verlängerung der Ethylen-Pipeline dargestellt wurden. Drittens unterstützten die Betriebsräte einzelner Mitgliedsunternehmen das Vorhaben auch bei Anhörungen vor Ort und brachten so das Interesse der Beschäftigten der regionalen Chemieindustrie an der Anbindung überzeugend zum Ausdruck.[3]

Abgeordneter Markus Blume (Mi) bei der Ausstellung im Bayerischen Landtag.
Anschluss an die Zukunft
Im Jahr 2013 wurde die Pipeline, die bereits von der Nordsee bis nach Rheinland-Pfalz verlief, über Baden-Württemberg mit dem bayerischen Chemiedreieck verbunden. Die Ethylen-Pipeline Süd ermöglicht nun nicht nur einen sicheren, umweltverträglichen sowie wirtschaftlichen Transport von Ethylen, sondern es konnten auch neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Die betroffenen Unternehmen in der Region sind durch den länderübergreifenden Ausbau konkurrenzfähiger geworden. Für die Zukunft wird bereits über eine Verlängerung nach Osten oder Süden nachgedacht.
Ausblick
Aufbauend auf diesem Erfolg, verstetigte „ChemDelta Bavaria“ die Lobbyarbeit gegenüber der Politik sowohl auf Landes- als auch auf der Bundesebene. Sie pflegt enge Kontakte zur Politik und hat für die Ansprache unterschiedliche Formate von der lokalen bis zur Bundesebene entwickelt. Mehr über die konkrete Arbeitsweise von „ChemDelta Bavaria“ finden Sie im internen Bereich der Website.
Aktuell zielt die Interessenvertretung von „ChemDelta Bavaria“ neben dem weiteren Ausbau der Verkehrsanbindungen Schiene und Autobahn u. a. auf die nachhaltige Energieversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen ab, dabei steht das Thema Wasserstoff für die energieintensive Chemieindustrie oben auf der Agenda. Dazu veranstaltet die Initiative in unregelmäßigen Abständen Energiegipfel mit Vertretern von Energiewirtschaft und der bayerischen Regierung. Die Positionspapiere von „ChemDelta Bavaria“ zum Thema Energie und Wasserstoff sowie weiteren Themen finden Sie hier.
Für mehr Informationen über die Arbeit der Initiative wenden Sie sich gerne an den Ansprechpartner von „ChemDelta Bavaria“, Dr. Bernhard Langhammer:
Telefon: 08679-7-5541
E-Mail: bernhard.langhammer@chemdelta-bavaria.de
[1] https://chemdelta-bavaria.de/chemdelta-bavaria/ (Zugriffsdatum 28.09.2021)
[2] https://www.eps-pipeline.de (Zugriffsdatum 28.09.2021)
[3] Ebd.