Mit Bürgerbeteiligung Großvorhaben leichter umsetzen?
Flughäfen, Bahnhöfe, Windräder: Großprojekte bringen oft Standortvorteile für die Industrie mit. Die Planungsverfahren dafür sind allerdings zeitintensiv und stellen die Wirtschaft vor Herausforderungen. Gleichzeitig wächst das Bewusstsein in der Politik und der Bevölkerung für mehr Partizipation. Letztere möchte nicht nur informiert, sondern immer öfter auch beteiligt werden. Die Mehrheit der Deutschen wünscht einen Ausbau bisheriger Mitsprachemöglichkeiten bei der Planung und Durchführung von Infrastrukturvorhaben, knapp die Hälfte sieht sich bei Infrastrukturvorhaben nicht ausreichend informiert. [1] Der Koalitionsvertrag der Ampelregierung zeigt, dass die Bürgerbeteiligung auch politisch neuen Schub erhält: „Wir wollen die Entscheidungsfindung verbessern, indem wir neue Formen des Bürgerdialogs wie etwa Bürgerräte nutzen. […] Dabei werden wir auf gleichberechtigte Teilhabe achten. Eine Befassung des Bundestages mit den Ergebnissen wird sichergestellt“, heißt es dort. [2] Doch was ist Bürgerbeteiligung und wie kann sie eingesetzt werden, sodass sie Akzeptanz für Großvorhaben schafft?
Was ist Bürgerbeteiligung?
Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMVI) definiert Bürgerbeteiligung als „die Teilhabe oder Mitgestaltung der Bürger an einem Planungs- und Entscheidungsprozess durch Information, Konsultation oder Kooperation, wobei gesetzlich vorgeschriebene und darüber hinausgehende informelle Beteiligungsformen möglich sind.“ [3] Bürgerbeteiligung kann und soll die repräsentative Demokratie aber nicht ersetzen. [4] Sie ermöglicht es der Bevölkerung, sich in Entscheidungsprozesse, zum Beispiel bei Großvorhaben, einzubringen und fördert Mitbestimmung. Es gibt verschiedene Formen der Bürgerbeteiligung: Zum einen die sogenannte „formelle Bürgerbeteiligung“, die gesetzlich vorgeschrieben ist. Sie ist in verschiedenen Vorschriften geregelt und greift beispielsweise bei der Bauleitplanung. [5] Dabei ist auch vorgeschrieben, wer die Beteiligten sind. [6]
Zum anderen gibt es die „informelle Bürgerbeteiligung“, die nicht gesetzlich vorgeschrieben ist. Die Bandbreite der verschiedenen Formate reichen von „One-Way-Kommunikation“ bis hin zu dialogorientierten Formaten. Wesentlich ist in jedem Fall Transparenz und eine Kommunikation, die Konzepte und Ideen direkt an die Bevölkerung heranträgt.[7] Viele Kommunen haben Leitlinien erstellt, die die Qualität der Bürgerbeteiligung sicherstellen sollen, wenn es keine gesetzlichen Vorgaben für die Verfahren gibt.
Formen der Bürgerbeteiligung
Es gibt verschiedene Formate und Methoden der Bürgerbeteiligung mit unterschiedlichen Einsatzgebieten. Relativ kurzfristig einsetzbare Verfahren wie die Aktivierende Befragung, aber auch aufwendigere Formate wie die Planungszelle ermöglichen angepasste Formen der Bürgerbeteiligung für viele Projekte. Zu den dialogorientieren Methoden der Bürgerbeteiligung gehört zum Beispiel die Bürgerkonferenz. Sie informiert die Teilnehmenden über das Thema und findet öffentlich statt. Während der Bürgerkonferenz erarbeiten die beteiligten Bürgerinnen und Bürger im Dialog mit Fachleuten Antworten auf politische oder gesellschaftliche Fragen.[8]
Abbildung 1: Ablauf einer Bürgerkonferenz [9]
Andere Formen der Bürgerbeteiligung sind beispielsweise die Open-Space-Technology (OST) oder die Zukunftswerkstatt bzw. die umfangreichere Zukunftskonferenz. Einen Überblick über die verschiedenen Methoden zur Bürgerbeteiligung gibt Abbildung 2 (hohe Auflösung):
Abbildung 2: Beteiligungsmodelle im Überblick [10]
Leitlinien für eine gute Bürgerbeteiligung
Bürgerbeteiligung heißt Partizipation. Damit diese auch gelingt, transparent ist und zu einem Ergebnis führt, bedarf es zuerst einer klaren Ziel- und Rahmensetzung. Wichtig dabei ist, dass Klarheit über Zuständigkeiten und den Entscheidungsprozess herrscht, in dem die Bevölkerung beteiligt werden sollen – und dass definiert ist, wie und wann die Beteiligungsergebnisse verwendet werden. Der Beteiligungszeitraum sollte so gelegt werden, dass ein möglichst großer Gestaltungsspielraum besteht. Ziele und Meilensteine sollten von Anfang an mitgedacht werden. Ebenso sollte klar sein, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Form die Ergebnisse genutzt werden. Diese Punkte sollten transparent kommuniziert werden.
Ein durchdachtes Verfahrensdesign, von der Auswahl und Einladung der Beteiligten, ihre Ansprache und Motivation bis zur Auswahl des passenden Verfahrens ist ausschlaggebend für den Erfolg der Bürgerbeteiligung. Auch Erwartungsmanagement sollte betrieben werden, um eventuellen Missverständnissen vorzubeugen.
Ein hochwertiges Verfahren benötigt ausgewogene und verständliche Informationen ebenso wie eine professionelle Moderation und Kommunikation. Während die Moderation sich auf Veranstaltungen beschränkt, ist eine kontinuierliche, aktive und transparente Kommunikation während des gesamten Verfahrens wichtig. Der Informationsfluss sollte bei dialogorientierten Verfahren keine Einbahnstraße sein: Auch den Beteiligten sollte stets die Möglichkeit offenstehen, Kontakt aufzunehmen und Rückmeldung zu geben. Medien können eingebunden werden, um über das Beteiligungsformat, den Fortschritt und die Ergebnisse zu informieren.
Die Ergebnisse und die einzelnen Schritte der Bürgerbeteiligung sollten sorgfältig dokumentiert, aufbereitet und bereitgestellt werden. Vor allem aber müssen die Beteiligten wissen, ob und wie die Ergebnisse verwendet werden – oder auch nicht. In jedem Fall sollte dies begründet geschehen. Außerdem sollten die Beteiligten über nachfolgende Entscheidungsprozesse und deren Ergebnisse informiert werden. Abschließend komplettiert eine Evaluation des Beteiligungsverfahrens die Bürgerbeteiligung.
Die Leitlinien für eine gute Bürgerbeteiligung finden Sie hier in ausführlicher Form. Weitere Informationen zur Bürgerbeteiligung finden Sie hier.