Rückgrat der deutschen Industrie: Die Chemie- und Pharmabranche
Seit der Coronapandemie ist die Chemie- und vor allem die Pharmaindustrie vielen ein Begriff. Doch die Branche ist schon lange entscheidend für den Industriestandort Deutschland: Die deutsche Chemie- und Pharmaindustrie ist die viertgrößte der Welt und die größte Europas.[1]
Eine umsatzstarke Branche am Anfang der Wertschöpfung
Die Chemie- und Pharmaindustrie steht am Anfang vieler Wertschöpfungsketten. Ihre Erzeugnisse sind deshalb oftmals wichtige Basis für die Dinge unseres täglichen Bedarfs: Zur Produktportfolio gehören z. B. Polymere[2], Wasch- und Körperpflegemittel, Petrochemikalien und natürlich Pharmazeutika. Die Produkte der Chemieindustrie sind Ausgangsstoffe für Kunststoffverarbeiter, die Bauwirtschaft oder auch die Stahl- und Metallindustrie. Eine große Rolle spielt auch die in Deutschland so wichtige Automobilindustrie: rund 15 – 20 Prozent der inländischen, chemischen Produktion gehen direkt oder indirekt zu den Automobilherstellern.[3]
Der Umsatz der Chemie- und Pharmaindustrie in Deutschland liegt bei rund 190,6 Milliarden Euro (2020). Über 460.000 Beschäftigte, davon 175.000 in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), sind direkt in der Branche beschäftigt. Damit ist sie mit 5,4 Prozent aller Beschäftigten der fünftgrößte Arbeitgeber innerhalb des verarbeitenden Gewerbes.[4] In der Industrie gibt es eine Arbeitsteilung: Große Unternehmen mit über 500 Beschäftigten stellen die Grundchemikalien her; die KMU verarbeiten diese Produkte zu Fein- und Spezialchemikalien.[5]
Abbildung 1: Große Chemieunternehmen in Deutschland[6]
Chemie ist eine Frage der Energie
Die Chemieindustrie ist energieintensiv: Am Primärenergieverbrauch des verarbeitenden Gewerbes hat die Herstellung von chemischen Erzeugnissen einen Anteil von rund 33 Prozent[7], was knapp 9 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs in Deutschland entspricht.[8]
Abbildung 2: Anteile der Sektoren am Primärenergieverbrauch des verarbeitenden Gewerbes 2019[9]
Die Branche blickt deshalb mit Sorge auf steigende Energiepreise: Für ihre Produkte benötigt die Chemieindustrie Kohlenstoff, der überwiegend aus fossilen Rohstoffen wie Öl, Gas oder Kohle gewonnen wird; außerdem brauchen die Unternehmen auch Energie aus Erdgas.[10] Die Branche setzt laut (VCI) rund 2,8 Millionen Tonnen Erdgas als Rohstoff und 99,3 Terawattstunden Erdgas für die Erzeugung von Dampf und Strom im Jahr ein. Zudem benötigt sie über 14 Millionen Tonnen Rohbenzin als Rohstoff.[11] Zwar ist der Energieverbrauch seit 1990 um 19 Prozent gesunken, der Ausstoß von Treibhausgasen sogar um 55 Prozent, allerdings ist die Branche noch immer für 5 Prozent der CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich.[12] Die niedrigeren Emissionen von Treibhausgas gingen mit einer Produktionssteigerung von 63 Prozent im gleichen Zeitraum einher.[13]
Um den Energieverbrauch weiter zu senken, steht die Branche derzeit vor drei Herausforderungen[14]:
- Weniger Strom aus fossilen Quellen zu nutzen,
- die Emissionen chemischer Verfahren zu senken und
- Kohlenstoff, ein Grundstoff vieler Produkte der Branche, im Kreislauf zu führen.
Fossile Energieträger für die Kohlenstofferzeugung könnten, so die VCI-Initiative „Chemie im Dialog[15]“, durch zum Beispiel Kunststoffabfälle, Biomasse oder durch „eingesammeltes“ CO2 ersetzt werden.
Chemie- und Pharmaerzeugnisse als wichtige Exportgüter
Deutschland ist vor den USA und China der weltgrößte Exporteur von chemisch-pharmazeutischen Erzeugnissen.[16] Mit einem Anteil von knapp 10 Prozent an den globalen Exporten ist Deutschland in Europa führend, gefolgt von Belgien mit 6,8 Prozent.[17] Die Exportquote betrug 2016 fast 60 Prozent, wobei 2020 50,2 Prozent der Exporte ins europäische Ausland gingen, während die USA der wichtigste Markt außerhalb Europas sind.[18]
Abbildung 3: Deutsche Exporte chemisch-pharmazeutischer Erzeugnisse nach Regionen[19]
Die pharmazeutische Industrie ist ein wichtiger Teil der chemischen Industrie. Über 20 Prozent der gesamten Chemieproduktion entfallen auf pharmazeutische Erzeugnisse. Deren Export aus Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren erhöht: Die Exporte hatten 2019 einen Wert von knapp 80 Milliarden Euro. Das entspricht einem Weltexportanteil von rund 15 Prozent.[20]
Abbildung 4: Weltexportanteile der BIG-5-Länder bei pharmazeutischen Erzeugnissen, 2008 und 2019, in %[21]
Die Pharmaindustrie gehört zu den produktivsten und forschungsintensivsten Wirtschaftszweigen in Deutschland. Die Forschungsausgaben in dieser Branche betragen durchschnittlich mehr als 10 Prozent des Umsatzes.[22] In Deutschland hat die Pharmabranche im Jahr 2021 überdurchschnittlich viel zum Wirtschaftswachstum beigetragen: Allein das Biotechnologieunternehmen Biontech dürfte für rund 0,5 der gesamten Wirtschaftsleistung Deutschlands verantwortlich sein.[23]
Weitere Informationen zur Chemie- und Pharmaindustrie finden Sie hier:
Chemiewirtschaft in Zahlen, VCI
Chemie 4.0: Wachstum durch Innovation in einer Welt im Umbruch, Deloitte/ VCI