Elektrolyseure und Brennstoffzellen: Wasserstoff als Champagner oder Schlüsseltechnologie der Energiewende?

Fakten
- Seit wann: 1800 wurde die erste Elektrolyse durchgeführt
- Mit Wasserstoff erzeugte Energie im Jahr 2022 (Deutschland): 57 MW[1]
- Anzahl Elektrolyseure-Hersteller (weltweit, Stand 2022): 17[2]
- Geplante Elektrolysekapazitäten bis 2030 (Deutschland): 10 GW[3]
- Geplante Elektrolysekapazitäten bis 2030 (EU): ca. 100 GW
- Geplantes Pipelinenetz für Deutschland bis 2030: ca. 11.200 km[4]
- Benötigte Materialien und Rohstoffe: u. a. Nickel, Titan, Iridium, Palladium, Platin, Scandium, Aluminium, Zirkonia, Cer, Yttrium[5]
Kann die deutsche Industrie es schaffen, bis 2045 klimaneutral zu produzieren und gleichzeitig ihre Position als führender Industriestandort zu halten? Wasserstofftechnologien wie Elektrolyseure und Brennstoffzellen spielen bei der Antwort eine entscheidende Rolle. Denn sie haben das Potenzial, die Energieversorgung zu defossilisieren und gleichzeitig neue Wertschöpfungsmöglichkeiten zu schaffen. Als eine der insgesamt acht strategischen Netto-Null-Technologien des EU Net Zero Industry Act beschäftigt sich dieser Transformationscheck mit Elektrolyseuren und Brennstoffzellen. Die Transformationschecks sind eine Reihe zur Vorbereitung des Industrieforums 2023 Auf dem Weg zu Net Zero: Technologien für die Transformation am 5. September in Berlin. Erfahren Sie hier mehr zum Industrieforum 2023.
Elektrolyseure und Brennstoffzellen: Wie funktionieren die Prozesse?
Ein Elektrolyseur verwendet elektrischen Strom, um die chemische Reaktion der Elektrolyse in Gang zu setzen. Bei der Reaktion spaltet sich Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff. Mithilfe einer Elektrolytlösung bildet sich während des Elektrolyseprozesses an der Anode (positiv geladen) Sauerstoff und an der Kathode (negativ geladen) Wasserstoff. Dabei werden positive Ionen zur Kathode gezogen, während negative Ionen zur Anode gezogen werden. Elektrolyseure dienen zur Wasserstoffherstellung, sie sind gleichzeitig Energiespeicherung und können durch die Umwandlung von überschüssigem erneuerbaren Strom in Wasserstoff als Flexibilitätspuffer genutzt werden.[6]
Die Brennstoffzelle arbeitet im Grunde genommen umgekehrt zum Elektrolyseur. Während der Elektrolyseur elektrischen Strom verwendet, um Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufzuspalten, nutzt die Brennstoffzelle Wasserstoff und Sauerstoff, um durch die Rekombination der Gase elektrische Energie zu erzeugen. Sie arbeitet ähnlich wie eine Batterie, aber im Gegensatz zu Batterien können Brennstoffzellen kontinuierlich Energie liefern, solange Brennstoff vorhanden ist. In einer Brennstoffzelle reagiert der Wasserstoff an der Anode mit dem Sauerstoff an der Kathode, wodurch elektrischer Strom erzeugt wird. Dabei entsteht als Nebenprodukt lediglich Wasserdampf.[7] Brennstoffzellen haben vielfältige Anwendungen und können in verschiedenen Bereichen wie der Wärme- und Stromversorgung in Gebäuden, netzfernen Anwendungen und dem Antrieb von Fahrzeugen, Flugzeugen und Schiffen verwendet werden.[8]
©futurefuels
Chancen von Wasserstoff für die Energiewende und Defossilisierung der Industrie
Elektrolyseure und Brennstoffzellen ergänzen sich, da ein Elektrolyseur Wasserstoff produziert, der in der Brennstoffzelle genutzt werden kann. Gemeinsam ermöglichen sie den effizienten Einsatz von Wasserstoff als Energieträger und bieten dabei mehrere Vorteile:
- Energiespeicherung: Elektrolyseure können überschüssige elektrische Energie in Form von Wasserstoff speichern. Sie haben somit das Potenzial, zur Dekarbonisierung des Energiesektors beizutragen, da sie es ermöglichen, fluktuierende erneuerbare Energien wie Wind- oder Solarenergie in Form von Wasserstoff zu speichern und bei Bedarf in Brennstoffzellen oder Wasserstoff-Kraftwerken zu nutzen.
- Keine Emissionen: Bei der Elektrolyse entsteht als Hauptnebenprodukt reiner Sauerstoff und bei der Verstromung in der Brennstoffzelle lediglich Wasserdampf, sodass keine kohlenstoffbasierten Emissionen erzeugt werden. Bei der Verwendung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen ist die Energieerzeugung klimaneutral. Die Elektrolyse trägt somit zur Verringerung der Treibhausgasemissionen bei.[10]
- Anwendung in der Industrie: Die chemische Industrie nutzt Wasserstoff u. a. als Rohstoff, zum Beispiel in der Herstellung von Ammoniak. Wasserstoff eröffnet auch Potenziale für andere Anwendungen, die nicht direkt elektrifiziert werden können.[11] Hierzu zählen industrielle Hochtemperaturprozesse, z. B. die Stahlerzeugung. Die Stahlindustrie – als Industriebranche mit dem größten Anteil an Treibhausgasemissionen – könnte durch den Einsatz von wasserstoffbasierten Technologien ihren CO2-Fußabdruck wesentlich verringern.[12]
- Integration mit anderen Technologien: Elektrolyseure und Brennstoffzellen können mit anderen Energietechnologien wie Solaranlagen oder Windparks kombiniert werden. Dadurch entsteht ein integriertes Energiesystem, das eine effiziente Nutzung und Speicherung von Energie ermöglicht.[13]
Diese Vorteile machen Elektrolyseure und Brennstoffzellen zu einer vielversprechenden Technologie für die Energiewende und den Übergang zu einer nachhaltigen Energieversorgung.
Elektrolyseure und Brennstoffzellen: Herausforderungen bei der Skalierung
Bei Elektrolyseuren und Brennstoffzellen gibt es auch einige Herausforderungen, die einen schnellen Markthochlauf hemmen:
- Hoher Energiebedarf: Die Elektrolyse erfordert eine beträchtliche Menge an elektrischer Energie, um Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufzuspalten. Dieser hohe Energiebedarf kann die Wirtschaftlichkeit der Elektrolyse beeinträchtigen.[14]
- Kosten: Elektrolyseure und Brennstoffzellensysteme sind aktuell vergleichsweise teuer in der Herstellung und Installation. Das liegt vor allem an den Kosten für Elektroden und Membranen im Elektrolyseur und Materialien wie Platin, das in einigen Brennstoffzellen als Katalysator verwendet wird. Daher sind ein hoher Auslastungsgrad und eine lange Nutzungsdauer erforderlich, da die Gestehungskosten aufgrund des hohen Fixkostenanteils mit zunehmender Betriebszeit erheblich sinken.[15]
- Abhängigkeiten bei Rohstoffen: Für die Produktion von Elektrolyseuren und Brennstoffzellen werden diverse Rohstoffe verwendet, bei deren Import Deutschland von wenigen Ländern abhängig ist. Einseitige Abhängigkeiten sind dabei nicht vermeidbar. Bei wachsender Nachfrage kommt es somit zu Engpässen in der Lieferung sowie zu Konkurrenz zwischen Branchen und Technologien.[16]
- Effizienz: Ein Teil der eingesetzten Energie geht in Form von Wärme bei der Energieumwandlung verloren. Der Wirkungsgrad eines Elektrolyseurs liegt bei 60 bis 70 Prozent, der Wirkungsgrad der Brennstoffzelle liegt bei 60 bis 80 Prozent.[17] Höhere Effizienzraten würden den Energiebedarf senken und die Wirtschaftlichkeit verbessern.
- Wasserstoffinfrastruktur: Die breite Nutzung von Wasserstofftechnologien erfordert eine entsprechende Infrastruktur für die Speicherung, den Transport und die Verteilung von Wasserstoff. Ein flächendeckendes Pipelinenetz befindet sich noch in der Planung.[18]
- Import: Der voraussichtliche Bedarf an Wasserstoff kann nicht durch lokale Elektrolyse gedeckt werden, sondern Deutschland wird überwiegend auf Importe angewiesen sein. Laut der jüngst veröffentlichten Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie geht die Bundesregierung davon aus, dass etwa 50 bis 70 Prozent des prognostizierten Wasserstoffbedarfs aus Importen aus dem Ausland in Form von Wasserstoff und Wasserstoffderivaten stammen werden.[19]
- Haltbarkeit: Insbesondere bei bestimmten Brennstoffzellentypen können Faktoren wie Korrosion, Degradation der Katalysatormaterialien und Membranalterung zu Leistungsverlusten führen.[20] Die Verbesserung der Langlebigkeit und Zuverlässigkeit von Brennstoffzellen ist entscheidend, um ihre Einsatzfähigkeit zu erhöhen.
Durch kontinuierliche Forschung, Entwicklung und Investitionen müssen diese Herausforderungen überwunden werden, um die Effizienz, Haltbarkeit und Wirtschaftlichkeit von Elektrolyseuren und Brennstoffzellensystemen zu verbessern. Es bedarf einer schnellen Skalierung für eine breitere Anwendung von Wasserstofftechnologien sowie ihrer Integration in das Energiesystem.
©Prognos
Ausblick
Der Markthochlauf der Wasserstoffwirtschaft schreitet noch nicht so schnell voran, wie es für die Umsetzung der nationalen Klimaziele nötig wäre. Die Herstellung von Elektrolyseuren findet noch nicht im großindustriellen Maßstab statt, sondern eher als Einzelanfertigungen. Sie sind daher rar und teuer. Um das zu ändern, braucht es politische Rahmenbedingungen, die den Markthochlauf und die Hochskalierung entsprechender Technologien forcieren. Unternehmen brauchen effiziente Planungs- und Genehmigungsverfahren für die schnellere Umsetzung. Derzeit bestehen rechtliche Unstimmigkeiten bei den Genehmigungsbehörden, sodass immissionsschutzrechtliche Genehmigungen für Elektrolyseure oft mehrere Jahre dauern.[22]
Noch gilt Wasserstoff aufgrund seines Preises manchen als Champagner der Energiewende.[23] Der industrielle Bedarf an grünem Strom für Prozesse wie die Elektrolyse übersteigt die heutige Verfügbarkeit an erneuerbaren Energien bei weitem. Daher ist es bis zu einem breiten Einsatz von Wasserstoff für die Defossilisierung der Industrie noch ein weiter Weg. Allerdings kann der Einsatz von Wasserstoff in der Grundstoffindustrie bei der Defossilisierung eine Schlüsselrolle spielen – sofern bei der Elektrolyse Strom aus erneuerbaren Energiequellen genutzt wird.