Industrie 4.0 – die nächste industrielle Revolution

Den inoffiziellen Startschuss der weltweiten Vernetzung und Digitalisierung gab es am 6. August 1991: Die erste Website der Welt geht online[1] – und ist noch heute, mehr als 30 Jahre später, abrufbar. In den Folgejahren folgte ein rasantes Wachstum des Internets: Bis 1996 waren 16 Millionen Rechner vernetzt, bis 1998 36 Millionen.[2] Heute nutzen knapp 4,9 Milliarden Menschen das Internet; allein in Asien sind es 2,76 Milliarden.[3] Diese Entwicklung hat viele neue Geschäftsmodelle erschlossen – zu den wertvollsten Unternehmen der Welt zählen heute die großen Internetgiganten.[4] Aktuell trägt die Coronapandemie zur weiteren Beschleunigung der digitalen Transformation der Wirtschaft bei.[5] Grundsätzlich gilt: Unternehmen, die überdurchschnittlich viel in die digitale Transformation investieren, haben eine größere Chance auf eine höhere Rendite.[6] Auch die Industrie profitiert vom Trend der Vernetzung und Digitalisierung. Unter dem Schlagwort „Industrie 4.0“ bahnt sich eine neue industrielle Revolution an.
Revolutionstreiber „smarte Fabrik“
Industrie 4.0 steht für den Schulterschluss klassischer Produktion mit moderner Informations- und Kommunikationstechnik.[7] Sie verändert die Art und Weise, wie die Industrie Güter herstellt grundlegend. In der smarten Fabrik der Zukunft kontrollieren Maschinen selbstständig Fertigungsprozesse oder melden sich zum Beispiel autonom, wenn bestimmte Bauteile ausgetauscht werden müssen. Das verändert den gesamten Lebenszyklus eines Industrieerzeugnisses: Entwicklung, Fertigung, Nutzung, Logistik, Wartung, Recycling – alles wird digitaler, vernetzter und flexibler. So muss eine Produktionslinie zum Beispiel nicht mehr nur auf ein Produkt festgelegt sein; stattdessen sind die jeweiligen Bearbeitungsstationen an einen sich verändernden Produktmix anpassbar. Für den Industriestandort Deutschland bietet das enormes Potenzial. Das hat auch die Wirtschaft erkannt: 95% sehen Industrie 4.0 als Chance[8] und 6 von 10 Unternehmen nutzen bereits Industrie 4.0-Anwendungen.[9] Die Industrie 4.0 hat auch das Potenzial, die Energieeffizienz in der Produktion zu steigern[10], gerade in Zeiten einer unsicheren Versorgungslage und Klimawandel ein relevantes Thema.
Der steinige Weg in die Industrie 4.0
Die Betriebe in Deutschland sind in digitaler Aufbruchsstimmung, allerdings stehen sie auch vor Herausforderungen: Hohe Komplexität, fehlende zeitliche Ressourcen, hoher Kostenaufwand und fehlende IT-Fachkräfte bremsen laut DIHK-Umfrage die Digitalisierungswünsche der Unternehmen.[11] Auch externe Rahmenbedingungen bremsen die Digitalisierung, zum Beispiel die vielerorts noch unzureichende Breitbandverbindung.[12] Einen Überblick über bestehende Herausforderungen bei der Digitalisierung der Unternehmen in Deutschland bietet die folgende Übersicht:

Quelle: DIHK
Die vierte industrielle Revolution – abhängig von vielen Faktoren
Smarte Maschinen und Geräte mit entsprechender Software sind die Grundlage der Industrie 4.0. Sie zählen zu den sogenannten Internet of Things-Devices. Und auch deren Wachstum verläuft rasant: 2017 gab es 27 Milliarden vernetzte IoT-Geräte, 2030 werden es voraussichtlich 125 Milliarden IoT-Geräte sein. [13]
Der Erfolg der nächsten industriellen Revolution hängt von vielen Faktoren ab. In der geplanten Vernetzung von IoT-Devices wird deutlich, wie komplex ein solches System ist: Grundlage für smarte Geräte und Anlagen sind Computerchips und Sensorik (Hardware), aber auch die entsprechende Software. Diese Kombination allein schafft allerdings noch keine Fabrik der Zukunft – erst, wenn die Geräte auch untereinander verbunden sind, kann man von Industrie 4.0 sprechen. Notwendig dafür sind die (mobilen) Datenverbindungen der Zukunft wie z. B. die 5G-Technologie, die besonders durch ihre niedrige Latenz von unter einer Millisekunde, also eine sehr geringe Signallaufzeit, viele Echtzeitanwendungen erst möglich macht. Dazu kommt, dass die enormen Datenmengen, die in unzähligen smarten Fabriken in den Industrieländern entstehen werden, ausgewertet und nutzbar gemacht werden müssen. Erst durch entsprechende Big Data-Anwendungen und künstliche Intelligenz werden Muster in der Datenflut sicht- und somit nutzbar. Das alles benötigt eine Cloud, die einen permanenten und ortsunabhängigen Zugriff auf die Daten ermöglicht – und nicht zuletzt muss diese gesamte digitale Infrastruktur, an der die flexiblen Wertschöpfungsketten der Zukunft hängen, auch gegen Cyberattacken geschützt sein. Greifen alle diese Bausteine ineinander, wird die Industrie 4.0 möglich – und mit ihr zum Beispiel das sogenannte „Smart Manufactoring“, also die Anpassung von Massenprodukten an Kundenwünsche.[14]
Vielfältige Anwendungen, vielfältige Förderlandschaft
Die Bundesregierung hat mehrere Förderprogramme für die Industrie 4.0 aufgelegt. Dazu gehören zum Beispiel die Programme Autonomik für Industrie 4.0 und Smarte Service Welten. Speziell für den Mittelstand hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz außerdem die Programme Zukunft fördern! sowie I4KMU gestartet. Ein guter Startpunkt ist auch die Plattform Industrie 4.0.
[1] https://www.nsf.gov/news/special_reports/nsf-net/1990.jsp
[2] https://www.wissenschaft.de/technik-digitales/die-entwicklung-des-internets/
[3] https://de.statista.com/themen/42/internet/
[4] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1187049/umfrage/marktkapitalisierung-gafam/
[5] https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2021/heft/9/beitrag/digitalisierungsschub-in-firmen-waehrend-der-corona-pandemie.html
[6] https://www.industry-of-things.de/unternehmen-planen-investitionen-in-hoehe-von-mehr-als-einer-billionen-euro-a-b8ddcb59e387a51d8af8144a09060b14/
[7] https://www.ressource-deutschland.de/fileadmin/Redaktion/Bilder/Newsroom/Studie_Ressourceneffizienz_durch_Industrie_4.0.pdf
[8] https://www.heise.de/hintergrund/Statistik-der-Woche-So-weit-ist-Deutschland-bei-Industrie-4-0-6018907.html
[9] https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Dossier/industrie-40.html
[10] https://www.ipk.fraunhofer.de/de/publikationen/futur/futur-2020-1/l4ee1.html
[11] https://www.dihk.de/resource/blob/68190/cc92f456d4aa3fe94a187c47971ff1fc/dihk-studie-digitalisierung-grafik-feedback-data.jpg
[12] https://www.dihk.de/de/themen-und-positionen/wirtschaft-digital/digitalisierung/digitaler-aufbruch-mit-hindernissen
[13] https://cdn.ihs.com/www/pdf/IoT_ebook.pdf
[14] https://www.kan.de/publikationen/kanbrief/industrie-40-vision-oder-wirklichkeit/voraussetzungen-zur-umsetzung-von-industrie-40