Von Duroplast bis Elastomer – die Kunststoffindustrie in Deutschland

Sie sind flexibel einsetzbar und in vielen Bereichen unseres heutigen Alltags zu finden. Es gibt mehr als 200 verschiedene Arten. Sie werden zu Sportkleidung, Fensterrahmen, PET-Flaschen oder Autoreifen verarbeitet. Die Rede ist von Kunststoffen. Das Verpackungsgesetz definiert Kunststoff als „Werkstoff bestehend aus einem Polymer, dem möglicherweise Zusatzstoffe oder andere Stoffe zugesetzt wurden und der als Hauptstrukturbestandteil von Endprodukten fungieren kann; ausgenommen sind Werkstoffe aus natürlichen Polymeren, die nicht chemisch modifiziert wurden.“[1] Die Herstellung von Kunststoffen ist also Teil der chemisch-pharmazeutischen Industrie und trägt 20 Prozent zum Umsatz dieses Industriezweiges bei. [2] Zur Chemie- und Pharmabranche hat die Service- und Beratungsstelle bereits einen Faktencheck veröffentlicht.
Die Welt der Kunststoffe
Kunststoffe werden in Thermoplaste, Elastomere und Duroplaste eingeteilt. Das Unterscheidungsmerkmal ist das Verhalten bei Erhitzung. Thermoplaste sind bei Hitze leicht formbar. Die Thermoplaste Polyethylen (z. B. Waschmittelflaschen, Tragetaschen), Polypropylen (z. B. Margarinebecher, Stoßdämpfer), Polystyrol (z. B. Wärmedämmplatten, Joghurtbecher) und Polyvinylchlorid (z. B. Rohre, Fensterrahmen) sind Standardkunststoffe und machen 80 Prozent der weltweiten Kunststoffproduktion aus.
Duroplaste müssen bereits im Herstellungsprozess in die gewünschte Form gebracht werden. Nach dem Aushärten sind sie nicht mehr formbar. Beispiele für Produkte aus duroplastischen Kunststoffen sind Schutzhelme, Griffe von Kochtöpfen oder Karosserieteile.
Elastomere zeichnen sich, wie der Name sagt, durch ihre hohe Elastizität aus. Diese Kunststoffe lassen sich verformen, finden anschließend jedoch wieder in ihre Ursprungsform zurück. Sie sind in der Regel nicht schmelzbar. Gängige Produkte sind Reifen, Gummibänder und Dichtungsringe.[3]
Kunststoffe werden vor allem auf Basis von fossilen Rohstoffen, Rezyklaten und in der Herstellung anfallenden Nebenprodukten produziert. Das Kreislaufwirtschaftsgesetz definiert Rezyklate als „sekundäre Rohstoffe, die durch die Verwertung von Abfällen gewonnen worden sind oder bei der Beseitigung von Abfällen anfallen und für die Herstellung von Erzeugnissen geeignet sind.“[4]
Dabei wird zwischen Post-Consumer und Post-Industrial-Rezyklaten unterschieden. Post-Industrial-Rezyklate werden aus Abfall hergestellt, der bei der Produktion von Kunststoffprodukten anfällt. Post-Consumer-Rezyklate stammen hauptsächlich aus Abfällen von privaten Haushalten sowie z. T. aus Gewerbe und Industrie.[5] Nebenprodukte fallen bei der Herstellung von Waren an und unterscheiden sich von Abfall, wenn sie ohne Vorbehandlung weiterverarbeitet werden.[6]

Unterschied zwischen Post-Consumer Rezyklat und Post-Industrial Rezyklat und Nebenprodukt (© Gesamtverband Kunststoffverarbeitende Industrie e. V.)
Deutschlands Kunststoffproduktion und -verarbeitung – Marktführer in Europa
Neben der Kunststofferzeugung umfasst die Branche die Kunststoffverarbeitung, den Kunststoffmaschinenbau sowie Recyclingunternehmen.
Im Jahr 2021 produzierten Unternehmen in Deutschland ca. 21,1 Mio. Tonnen Kunststoff, davon ca. 18,7 Mio. Tonnen aus fossilen Rohstoffen, 1,65 Mio. Tonnen aus Rezyklaten und ca. 0,64 Mio. Tonnen aus Nebenprodukten.[7] Die deutsche Produktion entspricht ca. 5,4 Prozent der weltweiten und ca. 37 Prozent der europäischen Kunststoffproduktion 2021.[8] Die Produktion von Kunststoffen in Deutschland ist in den letzten 15 Jahren auf einem konstanten Niveau. In der Kunststofferzeugung arbeiteten 2021 54.400 Beschäftigte.[9]

Produktionsmenge der Kunststoffindustrie sowie die Beschäftigten in der Kunststofferzeugung in Deutschland in den Jahren 2006 bis 2021 (Eigene Darstellung mit Daten von Statista)
Nach Daten des Gesamtverbandes der Kunststoffverarbeitenden Industrie e. V. erwirtschafteten die 2.905 Unternehmen mit mehr als 20 Beschäftigten 2021 einen Gesamtjahresumsatz von 69,4 Mrd. €. In der Branche arbeiteten 321.529 Beschäftigte.[10] Die Unternehmen verarbeiteten insgesamt rund 14 Mio. Tonnen Kunststoff[11] und sind insbesondere den Branchen Verpackung, Bau, Automobil, Elektrotechnik, Haushaltswaren, Möbel, Landwirtschaft und Medizin zugehörig.
Die Verpackungsindustrie verarbeitet nahezu ein Drittel des in Deutschland produzierten Kunststoffs weiter, im Bausektor landet ein weiteres Viertel.

Anteile verschiedener Branchen an der Kunststoffverarbeitung in Deutschland 2021 (Eigene Darstellung mit Daten von PlasticsEurope Deutschland e. V.)
Klimaneutralität 2045: Kunststoffe im Kreislauf führen
Um die Klimaziele der Bundesregierung zu erreichen, muss auch die Kunststoffindustrie bis 2045 klimaneutral werden. Um den CO2-Ausstoß zu verringern, muss die Transformation weg von Kunststoffen auf Basis von fossilen Rohstoffen hin zu einem größeren Einsatz von Rezyklaten gelingen.
Deutschland wies 2020 eine Recyclingquote von 42 Prozent des Post-Consumer-Abfalls auf und belegte damit hinter den Niederlanden, Norwegen und Spanien Platz 4 in Europa (Durchschnitt 35 Prozent). 57 Prozent (Durchschnitt 42 Prozent) wurde in Deutschland energetisch verwertet, also etwa in Müllverbrennungsanlagen verbrannt. Nur 1 Prozent (Durchschnitt 23 Prozent) der Abfälle landet auf Mülldeponien.[12]
Großes Potenzial liegt in einer Verringerung der energetischen Verwertung und einer Erhöhung der stofflichen Verwertung von Kunststoffen. Die Anteile von Rezyklaten waren 2021 mit 9 Prozent in der Produktion und knapp 11,7 Prozent in der Verarbeitung aber noch relativ gering. Das liegt auch daran, dass der Preis für neu produzierte Kunststoffe auf Basis von fossilen Energien teilweise deutlich geringer ist als für Rezyklate. Zusätzlich kann laut einer Studie des Vereins Deutscher Ingenieure e. V. die Nachfrage nach Rezyklaten von hoher Qualität häufig nicht gedeckt werden. Der Großteil der auf dem Markt verfügbaren Rezyklate eignet sich für das so genannte Downcycling und wird daher vor allem für Produkte mit geringeren Qualitätsanforderungen wie Parkbänke oder Lärmschutzwände verwendet.[13]
Ein alleiniger Fokus auf die Verarbeitung des Abfalls reicht auf dem Weg zu einer geschlossenen Kreislaufwirtschaft in der Kunststoffindustrie jedoch nicht aus. Vielmehr braucht es eine Betrachtung der gesamten Wertschöpfungskette, oder des Kreislaufs, von der Herstellung von Kunststoffen über das Produktdesign in der Verarbeitung bis hin zur Verwertung von Kunststoffabfällen.