Biogas und Biomethan: So nachhaltig, wie es das „Bio“ vermuten lässt?
Die Fakten
- Biogasanlagen in Deutschland: 9.451 Anlagen (2021)
- Biomethananlagen in Deutschland: 238 Anlagen (2021)
- Biogas- und Biomethananlagen in der EU: ca. 20.000 (2021)[1]
- Installierte elektrische Leistung (Biogas): 5.787 MW (2021)
- Installierte elektrische Leistung (Biomethan): 616 MW (2021)
- Erzeugter Strom: 29,8 Mrd. kWh (2022), das entspricht 5,8% der deutschen Stromerzeugung[2] [3]
Als eine der insgesamt acht Netto-Null-Technologien des EU Net Zero Industry Act widmet sich dieser erste Transformationscheck dem Thema Biogas und Biomethan. Die Transformationschecks sind eine Reihe zur Vorbereitung des Industrieforums 2023 Auf dem Weg zu Net Zero: Technologien für die Transformation am 5. September in Berlin. Erfahren Sie hier mehr zum Industrieforum 2023.
Biogas wird aus erneuerbaren Rohstoffen gewonnen, indem Biomasse, also organische Abfälle oder nachwachsende Rohstoffe, in luftdichten Tanks in Biogas umgewandelt wird. Dieser Prozess heißt Vergärung. Es entsteht ein brennbares Gas, das sich hauptsächlich aus Methan und CO2 zusammensetzt. Es wird zur Strom- und Wärmeerzeugung genutzt oder zu Kraftstoffen weiterverarbeitet.
Biogas kann einerseits direkt zur Strom- und Wärmeerzeugung genutzt und andererseits zu Biomethan weiterverarbeitet werden. Die Strom- und Wärmeerzeugung erfolgt in der Regel direkt vor Ort in einem Blockheizkraftwerk. Den erzeugten Strom kann man in das Stromnetz einspeisen, die gleichzeitig entstehende Wärme für die Beheizung von Gebäuden verwenden.[4]
Da Biogas in diesem Zustand nicht ins Gasnetz eingespeist werden kann, wird es aufbereitet und zu Biomethan (auch Bioerdgas) weiterverarbeitet. Dazu wird insbesondere das CO2 abgetrennt. Das entstandene Biomethan wird verdichtet und ins Gasnetz eingespeist. Aufgrund höherer Produktionskosten und Förderungen wird Biomethan hauptsächlich zur Strom- und Wärmeerzeugung eingesetzt. Aktuell liegt der Anteil von Biomethan am Erdgasverbrauch bei ca. 1%.[5]
In Deutschland gibt es derzeit über 9.000 Biogasanlagen, die vor allem im ländlichen Raum stehen. Der Zubau von neuen Anlagen stagniert seit Jahren. Zwischen 2014 und 2021 wurden im Schnitt nur 140 neue Anlagen pro Jahr gebaut. Zwischen 2009 und 2013 waren es noch 952 Anlagen pro Jahr. Das hängt mit der Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) 2014 und somit einer verminderten Förderung für Biogasanlagen zusammen. Für einige Anlagen ist die Förderung schon 2020 ausgelaufen.
Zu den Biogasanlagen kommen aktuell 238 Anlagen, die Biogas in Biomethan umwandeln. Auch hier ist die Entwicklung zu beobachten, dass der Anlagenbestand durch lange Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie Bauzeiten nahezu stagniert.
Die Vorteile: Biogas und Biomethan sind CO2-neutral, lokal herstellbar und speicherfähig
Biogas und Biomethan gelten als bilanziell CO2-neutral. Bei der Verbrennung von Biogas bzw. der Weiterverarbeitung zu Biomethan wird nur das CO2 freigesetzt, das zuvor von den Pflanzen aus der Atmosphäre entnommen wurde und gebunden war.
Insbesondere im Stromsektor haben Biogas und Biomethan den Vorteil, nicht von Wind oder Sonnenstunden abhängig zu sein und können dazu beitragen, Grundlast bereitzustellen und Netzschwankungen auszugleichen. Außerdem können beide Energieträger in Gasspeichern zwischengespeichert und erst bei Bedarf verstromt werden. Damit könnte also die Flexibilität im zukünftigen Stromsystem steigen.[6] Biomethan unterscheidet sich chemisch nicht mehr von fossilem Erdgas, was es zum idealen Substitut von fossilem Erdgas macht. Das ist vor allem in Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen, in der direkten Wärmeerzeugung, als Kraftstoff und in der stofflichen Nutzung in der chemischen Industrie der Fall.[7]
Ein weiterer Vorteil ist, dass Biogas lokal und dezentral hergestellt werden kann, sodass die Rohstoffe nicht importiert werden müssen. Somit entstehen keine neuen Abhängigkeiten; Biogas kann einen Beitrag zur Energieunabhängigkeit Deutschlands leisten.
Die Nachteile: CO2-neutral, aber nicht klimaneutral
Biogas wird mittlerweile nicht mehr nur aus Abfallstoffen gewonnen. Ein großer Teil der Rohstoffe, insbesondere Mais, wird nur für die Herstellung von Biogas angebaut. Das führt zu einer Konkurrenz um Ackerland: Der Anbau von so genannten Energiepflanzen belegt 14% der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Diese dient also nicht der Produktion von Nahrungsmitteln. Der Anbau von Maismonokulturen und die bei der Produktion entstehenden Nebenprodukte können zudem negative Auswirkungen auf Böden, Wasser und Klima haben.
Darüber hinaus kann der Bau neuer Biogasanlagen zu Akzeptanzproblemen in der direkten Nachbarschaft führen. Neben der Veränderung des Landschaftsbildes ist hier vor allem die Geruchsbelastung bei der Anlieferung der Rohstoffe und durch die entstehenden Gärgase zu nennen.
Skepsis herrscht auch bei bereits bestehenden Anlagen. Neben CO2 bestehen Biogas und Biomethan hauptsächlich aus Methan, das laut Umweltbundesamt 25-mal klimaschädlicher ist als CO2. Durchschnittlich etwa 5% des in Biogasanlagen produzierten Methans entweicht in die Atmosphäre[8].
Ein Blick in die Zukunft und nach Europa
Sind Biogas und Biomethan nun echt Alternativen zu fossilen Energieträgern? Mittelfristig könnte Biomethan einen Anteil von 3% am deutschen Gasmarkt erlangen. Damit Biogas und Biomethan eine Rolle im zukünftigen Energiesystem spielen, müssten die heutigen Anlagen nicht nur bis in die 2030er Jahre erhalten bleiben, sondern auch weiterentwickelt werden, indem man die Kapazitäten der Anlagen für einen flexibleren Einsatz erhöht. Die aktuellen Regelungen im EEG lassen laut einer Studie des Deutschen Biomasseforschungszentrums Leipzig und des Wuppertal Instituts aber eher eine stagnierende Leistung und einen Rückgang der Stromproduktion erwarten.[9]
Anders sieht es in der Europäischen Union aus. Dänemark setzt stark auf diesen Energieträger und will den Anteil von Biogas an der Gasversorgung von 20% im Jahr 2021 auf 100% im Jahr 2035 steigern[10]. Auch die Europäische Kommission will mit der „RePowerEU“-Strategie die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen reduzieren. Dafür soll bis 2030 u. a. eine Verzehnfachung der Biomethanerzeugung und eine Erhöhung der Einspeisung auf ein Volumen von jährlich 35 Mrd. m³ (entspricht rund 380 TWh/a) angestrebt werden. Dabei soll das Biomethan insbesondere aus landwirtschaftlichen Abfällen und Reststoffen gewonnen werden.[11]