Vom Luxusliner bis zum Megafrachter – Schiffbau made in Germany

Für die maritime Wirtschaft spielen, wie der Name verrät, Wasser und Meer eine entscheidende Rolle. Zu ihr gehören neben der Schifffahrt, Häfen, Logistik, Meerestechnik oder Forschung auch die Schiffbauindustrie. Sie prägt die deutschen Küstenregionen seit mehreren Jahrhunderten. Andere Regionen Deutschlands sind wiederum bedeutende Standorte für die Zulieferindustrie des Schiffbaus: Bayern, Baden-Württemberg, aber auch Nordrhein-Westfalen.[1]
Deutschlands größte Werft, die Meyer Werft, wurde 1795 gegründet und befindet sich in Papenburg in Niedersachen. Neben Werften für Neubau gibt es auch solche, die auf Reparatur oder Umbau von Schiffen spezialisiert sind. Laut Bundeswirtschaftsministerium gehört die maritime Wirtschaft zu einem der wichtigsten Wirtschaftszweige Deutschlands.[2]
Die deutsche Schiffbauindustrie ist mittelständisch geprägt und besteht aus rund 60 mittleren und größeren Schiff- und Bootsbaubetrieben (ab 50 Beschäftigte). Zusammen beschäftigten sie im Jahr 2021 über 19.000 Personen.[3] Deutsche Werften sind im internationalen Vergleich eher klein, aber technologisch und gerade aufgrund ihrer Spezialisierungen sehr gefragt: Sie bauen Luxusyachten, Marine- oder Kreuzfahrtschiffe und haben sich so eine Nische erobert.[4] Man unterscheidet in der Schiffbauindustrie in den zivilen See- und den Binnenschiffbau. Der zivile Seeschiffbau baut in erster Linie Kreuzfahrtschiffe und Schiffe für Privatleute, der Binnenschiffbau ist auf Fracht- und Fahrtgastschiffe, sowie Hafenfahrzeuge, Schlepper, Behörden- und Sonderschiffe spezialisiert.[5]
Eine erfolgreiche Nische auf Wachstumskurs – bis zur Krise
Bis zum Ausbruch der Covid-19-Pandemie legte der Schiffbau in Deutschland ein beständiges Wachstum hin. 2019 erwirtschafteten deutsche Werften einen Gesamtumsatz von 5,7 Milliarden Euro.[6] 2020 brach das Geschäft ein: Nicht nur kam das operative Geschäft in der Kreuzschifffahrt fast vollständig zum Erliegen und Frachtschiffe hatten weniger geladen, es gingen auch die Auftragseingänge für den Bau neuer Schiffe zurück. Im zweiten Pandemiejahr 2021 verzeichnete der Industriezweig weltweit einen Aufschwung. Und auch an die deutsche Schiffbauindustrie wurden teilweise mehr Aufträge vergeben, als noch im Vorjahr: Für den zivilen Seeschiffbau gingen 19 Aufträge ein[7]; 2020 waren es nur 10.[8] Anders bei den Binnenschiffen, denn hier ist die Zahl von 46 im Jahr 2020 auf 36 im Jahr 2021 zurückgegangen.
Um den Corona-Folgen entgegenzuwirken, wurde 2020 ein Konjunkturprogramm im Umfang von einer Milliarde Euro für die maritime Industrie beschlossen. Seitdem gilt der Schiffbau als nationale Schlüsselindustrie, an dem zehntausende Arbeitsplätze hängen.[9] Aber auch bereits vor der Pandemie rückte die Bundesregierung die Branche in den Fokus: 2017 legte das Bundeswirtschaftsministerium die „Maritime Agenda 2025“ vor, eine Langfrist-Strategie für die maritime Wirtschaft.

Abbildung 1 Eigene Darstellung der Service- und Beratungsstelle, Quelle: Statista
Gemessen an der CGT (compensated gross ton), der gewichteten Bruttoraumzahl, mit der man Schiffsproduktionen vergleicht, hatte Deutschland im Jahr 2021 mit 370.000 CGT einen Marktanteil von 1,1 Prozent der weltweit gebauten Schiffe. Das mag nach wenig klingen, allerdings nimmt Deutschland in Europa damit den zweiten Platz ein, nur Italien produziert mit einem Anteil von 1,6 Prozent mehr. Weltweit liegt Deutschland auf Platz 7. Marktführer ist China, Platz 2 und 3 belegen Südkorea und Japan. Immer mehr Aufträge werden in diese Länder vergeben, die ihre maritimen Industrien stark subventionieren.[10]

Abbildung 2 Eigene Darstellung der Service- und Beratungsstelle, Quelle: VSM
Schiffe als Treiber der maritimen Wirtschaft
Ohne Schiffe und die dazugehörige Schiffbauindustrie wäre an einen Großteil der maritimen Wirtschaft nicht zu denken: Forschungsaktivitäten im Meer, Offshore-Windanlagen, Schifffahrt oder Fischerei sind ohne Schiffe nicht möglich. Die deutschen Häfen spielen zudem im Exportgeschäft eine große Rolle: Über sie werden weltweite Absatzmärkte erschlossen. Etwa 60 Prozent deutscher Warenexporte und ein Großteil der Rohstoffimporte erfolgen über den Seeweg.[11]
Energiewende in der Schifffahrt
Die Entwicklung und Herstellung von umweltfreundlichen maritimen Technologien hat Zukunft. Der Schiffbau stellt sich auf Antriebe mit erneuerbaren Energien um: 2018 wurde weltweit das erste Schiff fertiggestellt, welches mit Flüssigerdgas (LNG) angetrieben wird. So soll der Ausstoß von Feinstaub und Schwefeloxiden vollständig vermieden und Stickoxide und Kohlendioxid deutlich reduziert werden.[12] Beim Einsatz von LNG kann allerdings bei Verbrennung im Motor Methan entweichen, dies gefährdet den CO2-Vorteil von LNG.[13] In Zukunft sollen weitere umwelt- und klimafreundliche Kraftstoffe eingesetzt werden, wie Methanol, Ammoniak, Brennstoffzellen oder grüner Wasserstoff. Letzterer spielt eine große Rolle in der maritimen Transformation, sogar Null-Emissionsschiffe können realisierbar werden.[14]
Sie interessieren sich für weitere Industriebranchen in Deutschland? Dann lesen Sie auch unsere Faktenchecks zu den Themen Automobil, Stahl und Chemie und Pharma.
[1] So wichtig ist die deutsche Schiffbauindustrie (produktion.de)
[2] BMWK – Maritime Wirtschaft
[3] VSM-Jahresbericht 2021/2022: VSM Jahresberichte | vsm
[4] Fehlende Aufträge: Schiffbau in der Existenzkrise | tagesschau.de
[5] VSM-Jahresbericht 2021/2022: VSM Jahresberichte | vsm
[6] Deutsche Werften – Umsatz im Schiffbau 2021 | Statista
[7] VSM-Jahresbericht 2021/2022: VSM Jahresberichte | vsm
[8] VSM-Jahresbericht 2020/2021: vsm_jahresbericht_2021_flipbook.pdf
[9] Fehlende Aufträge: Schiffbau in der Existenzkrise | tagesschau.de
[10] VSM-Jahresbericht 2021/2022: VSM Jahresberichte | vsm
[11] bundesregierung-beschließt-bericht-zur-maritimen-wirtschaft
[12] Pionierin AIDAnova I Erstes Kreuzfahrtschiff mit Gasantrieb (meyerwerft.de)
[13] 7. Bericht der BReg (bmwk.de)
[14] 7. Bericht der BReg (bmwk.de)