Wasserstoff – Energie der Zukunft für die Industrie?
Mit dem im Juni 2021 beschlossenen Klimaschutzgesetz hat Deutschland seine Klimaziele verschärft. Bis 2030 sollen die CO2-Emissionen um 65 % gegenüber 1990 reduziert werden, bis 2040 sogar um 88 %. Bis 2045 möchte Deutschland treibhausgasneutral sein.[1] Damit will Deutschland seinen Beitrag leisten, die Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad und möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen.
Um dieses Ziel zu erreichen, ist eine Verringerung der Treibhausgasemissionen in nahezu allen Bereichen notwendig. Viele Unternehmen werden ihre Energieversorgung umstellen müssen. Neben Strom aus erneuerbaren Energien wird dabei vor allem Wasserstoff eine zentrale Bedeutung bei der Erreichung der Klimaziele zugeschrieben. Zusätzlich birgt Wasserstoff große Wertschöpfungs- und Exportpotenziale für die Technologie.[2]
Politische Strategie
Die Bundesregierung hat im Juni 2020 mit der Nationalen Wasserstoffstrategie (NWS) einen Handlungsrahmen für die zukünftige Erzeugung, den Transport, die Nutzung und die Weiterverwendung von Wasserstoff erstellt, um die Potenziale von Wasserstoff zu nutzen. Die NWS verfolgt dabei insbesondere die folgenden Ziele:
- Wasserstofftechnologien als Kernelemente der Energiewende etablieren.
- Regulatorische Voraussetzungen für den Markthochlauf der Wasserstofftechnologien schaffen.
- Die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen stärken.
- Die zukünftige Versorgung mit klimaneutralem[3] Wasserstoff und seinen Folgeprodukten sichern.[4] Als klimaneutraler Wasserstoff wird Wasserstoff bezeichnet, bei dessen Herstellung keine Treibhausgase in die Atmosphäre freigesetzt werden.[5]
Insgesamt beinhaltet die NWS 38 Maßnahmen, die Sie hier genau nachlesen können. Um die Umsetzung und Weiterentwicklung der NWS zu fördern und zu garantieren, wird eine Governance-Struktur etabliert. Neben einem Ausschuss von Staatssekretären und Staatssekretärinnen hat die Bundesregierung einen Nationalen Wasserstoffrat (NWR) berufen. Der Rat besteht aus 26 Fachleuten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft und unterstützt die Bundesregierung durch Expertise in der Konkretisierung und Implementierung der NWS.[6]
Industrielle Nutzung von Wasserstoff
Die Industrie nutzt auch heute schon Wasserstoff – zum Beispiel als Grundstoff zur Herstellung von Chemikalien wie Ammoniak und Methanol. Von den rund 55 TWh Wasserstoff, die derzeit in Deutschland verbraucht werden, benötigt die Chemieindustrie allein 37 TWh (1,1 Millionen Tonnen) pro Jahr. In den kommenden Jahren rechnet der NWR mit einer konstanten Nachfrage seitens der chemischen Industrie. 2050 erwartet der NWR einen Bedarf von 7 Millionen Tonnen pro Jahr (227 TWh). Durch Wasserstoff könnten 2050 schätzungsweise 54 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden.
In der Stahlindustrie kann bis 2030 mit einer großen Nachfrage nach klimaneutralem Wasserstoff gerechnet werden. Mit der Direktreduktion ist die zentrale neue Technologie bereits ausgereift. Bis 2030 sollen 10 Millionen Tonnen Stahl pro Jahr mit diesem Verfahren hergestellt werden. Würde dies vollständig mit klimaneutralem Wasserstoff geschehen, würden 600.000 Tonnen pro Jahr (20 TWh) benötigt. Dieser Bedarf könnte bis 2050 auf 2 Millionen Tonnen (70 TWh) anwachsen, wodurch 50 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden könnten.
Für die beiden Industriezweige[7] (ohne Raffinerien) rechnet der NWR bis 2030 mit einem Wasserstoffbedarf in Höhe von 1,7 Millionen Tonnen pro Jahr (57 TWh). 2035 könnte dieser auf 2,3 Millionen Tonnen (77 TWh), 2040 auf 2,8 Millionen Tonnen (93 TWh) und 2050 auf knapp 9 Millionen Tonnen (ca. 300 TWh) ansteigen.
Der NWR empfiehlt u. a. folgende Rahmenbedingungen für den Einsatz von weitgehend klimaneutralem Wasserstoff in industriellen Produktionsprozessen:
- In Deutschland weitgehend klimaneutralen Wasserstoff verfügbar machen,
- ein geeignetes System für den Nachweis des Einsatzes von grünem Strom für die Erzeugung von Wasserstoff erstellen und
- die Einbauquoten von Materialien aus der Herstellung mit grünem Wasserstoff prüfen.[8]
Die für die Energiewende voraussichtlich benötigten Mengen an Wasserstoff werden allerdings nach heutigem Stand nicht nur in Deutschland produziert werden können, da die erneuerbaren Erzeugungskapazitäten innerhalb des Landes begrenzt sind. In der NWS visiert die Bundesregierung 2030 eine Produktionskapazität von 5 GW (14 TWh) an. Zu diesem Zeitpunkt benötigen allein die Chemie- und Stahlindustrie schätzungsweise 57 TWh – also mehr als das Vierfache. Das bedeutet, dass der Bedarf nicht durch in Deutschland produzierten Wasserstoff, sondern hauptsächlich durch Importe gedeckt werden muss.[9]
Langfristig gesehen sollen gemeinsam mit wichtigen Akteuren, die insbesondere aus energieintensiven Industriebranchen wie der Chemie und dem Stahl kommen, branchenspezifische Dialogformate zu Strategien der Dekarbonisierung auf Basis von CO2-freiem Wasserstoff entwickelt werden.[10]