Mikroskopisch klein aber Oho – Halbleiter als Grundpfeiler der industriellen Moderne
Auto fahren, den coffee to go schnell mit der EC-Karte bezahlen, einen Anruf auf dem Smartphone tätigen oder gar ganze Herstellungsprozesse in Fabriken wären ohne sie heute undenkbar – Halbleiter. Sie bilden die Grundlage unseres modernen Lebens. Die in Computerchips verbauten Halbleiter haben, wie der Name bereits anklingen lässt, eine Leitfähigkeit, die zwischen der von Leitern und Isolatoren liegt. Sie bestehen in der Regel aus Silizium und werden zu sogenannten Transistoren (Bauelemente, die Strömungen verstärken, stoppen oder weiterleiten) weiterverarbeitet. Diese können dann auf Wafern, den Basisplatten der Mikrochips, montiert werden.
Der Bedarf an Chips steigt
Allein im Jahr 2020 wurden weltweit mehr als 1 Billion Mikrochips produziert – auf einen Erdbewohner kommen also etwa 130 Chips.[1] Aufgrund von technologischen Trends wie Industrie 4.0, Künstlicher Intelligenz, Internet der Dinge, Automatisierung und der Digitalisierung weitreichender Lebens- und Arbeitsbereiche werden Halbleiter seit Jahren immer wichtiger. Demnach erfährt die Halbleiterindustrie einen kontinuierlichen Bedeutungszuwachs. Gerade während der Covid-Pandemie wurde dies besonders deutlich. In Folge des Lockdowns gerieten Lieferketten ins Stocken, es kam zu Produktionsverzögerungen und -ausfällen, während die Nachfrage an elektronischen Produkten – bedingt durch das Homeoffice – gleichzeitig stieg.
Die Welt der Chips ist bunt. Es gibt Radarchips, Prozessoren, Sensoren und vieles mehr. Aufgrund immer komplexer werdender Fertigungsprozesse hat sich die Branche stark internationalisiert und setzt sehr auf Arbeitsteilung. So konzentrieren sich die Unternehmen meist entweder auf das Design, die Herstellung und Montage oder das Testen und Verpacken. Inzwischen gibt es immer weniger Unternehmen, die die tatsächliche Fertigung durchführen oder Design und Fertigung vereinen, der aktuelle Trend geht zur „Fabless Company“. Außerdem gehören angrenzende Industriezweige wie die Herstellung der Maschinen und die Software-Entwicklung für Design und Tests mit zur Branche.
Aufwind für die deutsche Chip-Industrie
Die deutsche Mikroelektronik- und Halbleiterbranche ist europaweit führend und hat sich insbesondere auf Sensortechnik spezialisiert. Im Jahr 2020 exportierte sie integrierte Schaltkreise, also Chips, im Wert von 12,8 Milliarden US-Dollar. [3] Geographisch tummelt sich das deutsche Know-how der Halbleiterindustrie vor allem in „Silicon Saxony“, wo sich ein einzigartiges Netzwerk an Konzernen, Zulieferern und Fachkräftepotenzial angesiedelt hat. Aktuell gibt es dort etwa 1.250 Halbleiter-Firmen, die gemeinsam rund 37.000 Beschäftigte haben. Bis 2030 soll die Anzahl der Jobs entlang der Wertschöpfungskette der Halbleiterindustrie allein in Sachsen auf 50.000 ansteigen. [4]
Derzeit ist die Branche in Deutschland in Bewegung. Bosch eröffnete 2021 eine Chipfabrik in Dresden, um vor allem die Automobilindustrie zu beliefern. Mit gut 1 Mrd. Euro war es die größte Investition der Konzerngeschichte. [5] Erst kürzlich haben zwei weitere große Player angekündigt, ihre Präsenz in Deutschland auszubauen. Marktführer Infineon will zu seinen bisherigen sechs Standorten ein 5 Mrd. Euro teures Halbleiterwerk in Dresden bauen und reagiert damit auf den steigenden Bedarf an Radarchips.[6] Auch das US-amerikanische Unternehmen Intel beabsichtigt den Bau einer Fabrik zur Produktion von Chips in der Nähe von Magdeburg. Schon im Frühling 2023 soll der erste Spatenstich für das rund 17 Mrd. schwere Bauprojekt erfolgen. Die Bundesregierung wird die Ansiedlung von Intel mit 6,8 Mrd. Euro subventionieren.[7]
Investitionswettlauf
Der Wettlauf hat längt begonnen. Auf der anderen Seite des Atlantiks verabschiedete der amerikanische Kongress 2020 den sogenannten „Chips for America Act“, der 52 Mrd. USD für die dortige Chipindustrie vorsieht.[8] China toppt die amerikanischen Investitionen um ein Vielfaches. Der aktuelle Fünf-Jahresplan sieht umgerechnet 1,4 Billionen USD vor,[9] vor allem, um mit Taiwan konkurrieren zu können, das mit einem Marktanteil von 56 Prozent der größte Chiphersteller weltweit ist.[10] Auch Brüssel plant in Form des „European Chips Act“ bis 2030 politikgesteuerte Investitionen in Höhe von mehr als 43 Mrd. Euro. Diese sollen wiederum private Investitionen von mehr als 15 Mrd. Euro nach sich ziehen.[11] Mithilfe des European Chips Acts will die EU-Kommission den europäischen Anteil am Halbleitermarkt bis 2030 von bisher 10 auf 20 Prozent verdoppeln. Perspektivisch wird allerdings fast das gesamte Wachstum der Branche auf dem asiatischen Kontinent erwartet.
Technologisches Know-how in Deutschland halten
Dass die deutsche und europäische Halbleiterproduktion auch im sicherheitspolitischen Interesse der Bundesregierung liegt, bewies ihr Eingreifen sowohl im Fall des geplanten Verkaufs des Dortmunder Unternehmens Elmos an MEMS-Foundry Silex, ein in Schweden ansässiges, chinesisches Tochterunternehmen von Sai,[12] als auch im Fall der geplanten Übernahme des Halbleiterzulieferers ERS Electronic.[13] Nach Warnungen des Verfassungsschutzes stoppte sie die Deals, indem sie sich auf das Außenwirtschaftsrecht mit Verweis auf die Wahrung technologischer und wirtschaftlicher Souveränität berief.[14] Um Mikrochipunternehmen am Standort zu halten, schlug das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz insgesamt 32 deutsche Unternehmen für die Förderung im Rahmen eines IPCEI-Projekts (Important Projects of Common European Interest) vor. Ziel ist es, Innovation in der gesamten Wertschöpfungskette von der Idee bis zur Fertigung in Europa zu halten[15].
Gerade angesichts der zukünftig zu erwartenden technologischen Entwicklungen und externen Schocks erscheint es mehr denn je notwendig, Know-how in Deutschland und in Europa zu halten, um durch vertrauenswürdige und innovative Mikrotechnik souverän zu sein und die Abhängigkeit von internationalen Lieferketten zu reduzieren – damit wir auch in Zukunft getrost Auto fahren und telefonieren können.