Von Take-Make-Waste zum zirkulären Wirtschaften: Rahmenbedingungen und unternehmerische Praxis
Das nationale Klimaziel bis 2045 lautet: Treibhausgasneutralität. Laut Umweltbundesamt ist mit rund 40 Prozent ein großer Anteil der Treibhausgase in Deutschland auf die Entnahme und Verarbeitung von Primärrohstoffen zurückzuführen. Allerdings gelangen nur 12 Prozent der Sekundärstoffe und -ressourcen zurück in den Wirtschaftskreislauf. Folglich ist es höchste Zeit, das lineare Wirtschaftsmodell in eine Circular Economy zu überführen.
Status quo: Wo stehen wir?
Nur knapp 8,6 Prozent der Rohstoffe werden aktuell wiederverwertet. In Deutschland liegt der Anteil der Kreislaufwirtschaft bei 12 Prozent. Der Großteil davon geht auf Pfand und Altpapier zurück. Italien, Belgien und Frankreich sind weiter. Den höchsten Recyclinganteil haben die Niederlande mit 33,8 Prozent. Zirkuläres Wirtschaften hat sich in Deutschland bisher aus Kostengründen nicht gelohnt. Allerdings ändern sich die Verfügbarkeit und der Zugang zu Rohstoffen. Primärrohstoffe waren kosteneffizient und kurzfristig verfügbar. Nun wandelt sich das. Die Produkte und Materialien eines zirkulären Wirtschaftssystems sind so gestaltet, dass sie nach ihrer Nutzung dem Kreislauf wieder zugeführt werden. Das deutsche Kreislaufwirtschaftsgesetz definiert Kreislaufwirtschaft als Vermeidung und Verwertung von Abfällen. Circular Economy geht darüber hinaus. Das Öko-Institut definiert zehn R-Strategien.[1] Ziel einer Kreislaufökonomie ist es unter anderem, den Einsatz von Primärrohstoffen deutlich zu verringern und geschlossene Stoffkreisläufe zu etablieren.
Weichenstellungen für die Circular Economy
Auf europäischer Ebene ebnet der Aktionsplan Kreislaufwirtschaft als Baustein des EU Green Deal den Weg zu einer klimaneutralen Wirtschaft. Der Entwurf des EU Critical Raw Materials Act zielt darauf ab, die europäischen Rohstofflieferketten zu sichern, unter anderem durch die Herstellung eines Rohstoffkreislaufs. Hinzu kommt, dass die Bundesregierung an einer Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie arbeitet, deren Veröffentlichung für das Jahr 2024 geplant ist. Sie enthält Ziele, Handlungsfelder, strategische Maßnahmen und Instrumente, um den Bedarf an Primärmaterialien und -rohstoffen zu reduzieren.[2] Die große Herausforderung ist zum einen, dass einige Rohstoffe nicht recyclebar sind – wie Erdgas oder Biomasse. Zum anderen sind manche Rohstoffe langfristig in Gebäuden oder Infrastrukturen gebunden. Das heißt: Einerseits ist der Anteil an Sekundärrohstoffen nicht so hoch, wie der Bedarf an Rohstoffen für eine Circular Economy ist. Andererseits lässt sich der Anteil nur schwer beziffern. Hinzu kommt, dass sich Materialien unter Umständen nur schwer ohne Qualitätsverlust – Stichwort Downcycling – recyceln lassen. Materialien wie Aluminium und Kupfer oder Papier und Glas lassen hingegen bereits heute mit Quoten von 50 bis 80 Prozent rückgewinnen. Außerdem unterstützen Normen und Standards bei der Umsetzung von zirkulären Ansätzen in Unternehmen. Einen Grundstein dafür legt die Normungsroadmap Circular Economy des DIN e. V.[3] Insbesondere um Missverständnisse und Vertrauensverlust vorzubeugen, sind genormte Definitionen der Begriffe rund um eine Circular Economy wichtig. Zudem ermöglichen Standards und Normen ein Level Playing Field für Industrieunternehmen.[4] Kreislaufwirtschaft ist ein Querschnittsthema, bei dem verschiedene Akteure an einem Tisch zusammenkommen müssen. Es bestehen sowohl branchenübergreifende Herausforderungen als auch branchenspezifische Bedürfnisse. Entscheidend bei der Transformation von einem linearen zu einem kreislauffähigen Wirtschaftssystem sind die politischen Rahmenbedingungen. Des Weiteren gelingt die Umsetzung einer Circular Economy nur, wenn verschiedene Akteure aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zusammenarbeiten.
Zirkuläre Geschäftsmodelle
Es gibt keine one-size-fits-all-Lösung bei der Gestaltung von zirkulären Geschäftsmodellen: Das Entsorgungsunternehmen muss sich mit der sortenreinen Trennung von Stoffen und Materialien jeweils auseinandersetzen, um sie dem Kreislauf ohne Downcycling erneut zuzuführen. Ein Start-up kann z. B. eine digitale Plattform entwickeln, über die Unternehmen Sekundärrohstoffe erwerben. Ein Stahlunternehmen kann Schrott für seine Stahlproduktion mittels Elektrolichtbogenofen nutzen. Ein weiteres Beispiel ist das Batterierecycling. Wiederaufbereitungs- oder Recyclinganlagen existieren bereits.[5] Verschiedene weitere Industriezweige untersuchen und bewerten das Potenzial der Umsetzung einer zirkulären Wertschöpfung.
Vernetzung und Zusammenarbeit: Was bringt es?
Insbesondere die unternehmensübergreifende Zusammenarbeit, bspw. zwischen Recyclinghöfen und Unternehmen, die Rezyklate benötigen, aber auch zwischen Start-ups und etablierten Unternehmen, sind zielführend. Zudem unterscheiden sich die personellen und finanziellen Ressourcen von Großunternehmen und kleinen und mittleren Unternehmen. Es gilt, ihre unterschiedlichen Bedürfnisse bei der Transformation vom linearen zum zirkulären Geschäftsmodell auf politischer Ebene zu berücksichtigen.
Schritt für Schritt in die zirkuläre Wertschöpfung
Circular Economy gewinnt an Bedeutung und birgt ein enormes Einsparpotenzial an Treibhausgasen. Um eine Circular Economy zu etablieren und die Innovationskraft von Industrieunternehmen zu entfalten, sind politische Rahmenbedingungen und Anreize entscheidend; aber auch Standards und Normen, die den Industrieunternehmen ein Level Playing Field bieten. Hinzu kommt die positive Wirkung von branchen- und akteursübergreifender Zusammenarbeit und Vernetzung. Der Anteil der Kreislaufwirtschaft in Deutschland liegt bei 12 Prozent: Es gibt folglich noch viel zu tun bis zur zirkulären Wertschöpfung.