Dekarbonisierung der deutschen Industrie
Der Deutsche Bundestag hat am 24.06.2021 ein neues Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) beschlossen. Das Gesetz hebt das deutsche Treibhausgasminderungsziel für das Jahr 2030 auf minus 65% gegenüber 1990 an. Bislang lag das Ziel bei minus 55%. Langfristig müssen bis 2040 die Treibhausgase um 88% gemindert werden und bis 2045 soll die Treibhausgasneutralität verbindlich erreicht werden. Auch die Vorschriften zur Minderung der Treibhausgasemissionen in den einzelnen Wirtschaftssektoren (z. B. Industrie, Energiewirtschaft und Verkehr) wurden im neuen Gesetz verschärft[1].
Industriesektor früher und heute
Im Jahr 2020 stieß der Industriesektor insgesamt über 113 Millionen Tonnen CO2-äquivalente Treibhausgasemissionen aus. An den gesamten Industrieemissionen hat die Branche „Eisen und Stahl“ mit etwa 28% den größten Anteil – das entspricht etwa 31,4 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten[2]. An zweiter Stelle folgen die Raffinerien mit 22,9 Millionen Tonnen.
Die Branchen der Industrie müssen ihre Emissionen bis 2030 um etwa die Hälfte (im Vergleich zu 1990, 284 Millionen Tonnen CO2-Ausstoß) mindern. Bis zum Jahr 2016 haben sie bereits eine erhebliche Minderung erreicht. Im Vergleich zu 1990 (also in den letzten gut 30 Jahren) hat die Industrie bisher ihre Emissionen um 106 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente gesenkt. Das ist ein Minus von ca. 38%. Wenn bis 2045 88% der Emissionen eingespart werden müssen, muss demnach bis dahin 5 mal so viel eingespart werden wie bisher.
Geeignete Fördermaßnahmen für Energie- und Ressourceneffizienz und der Ausbau erneuerbarer Energien sollen weitere CO2 Reduzierungen erreichen. Die bisherige Senkung ist vor allem auf die Energiewirtschaft zurückzuführen.
Im Jahr 2020 wurden insgesamt rund 739 Millionen Tonnen Treibhausgase in Deutschland freigesetzt. Das sind im Vergleich zum Vorjahr rund 70 Millionen Tonnen oder 8,7 Prozent weniger.[3]
Aktuelle Entwicklungen in Richtung CO2-Neutralität
Da die Industrie für fast ein Fünftel der Treibhausgasemissionen verantwortlich ist, ist eine schnelle und drastische Senkung eine große Herausforderung. Zwei Drittel der Emissionen aus der Industrie entstehen bei der Energiegewinnung. Hier können u. a. durch den Umstieg auf erneuerbare Energiequellen die Emissionen stark gesenkt werden. Auch durch neue Anlagen und Verfahren können Emissionen eingespart werden. Ein weiteres Drittel entfällt auf die Herstellung von Produkten (vor allem in der Chemie- und Metallindustrie). Diese prozessbedingten Emissionen sind in den derzeit genutzten Verfahren nicht vermeidbar und dadurch auch nicht Teil der aktuellen Forschung zur Senkung von Emissionen.[4]
Um die Reduzierung der CO2-Emissionen in der Industrie weiter voranzubringen, gibt es auch verschiedene Bestrebungen der Bundesregierung. Zum einen soll die Nutzung von „grünem“ Wasserstoff als CO2-neutrale Alternative verstärkt werden (siehe dazu den Faktencheck der Service- und Beratungsstelle zum Thema Wasserstoff). Insbesondere die Stahl- und Chemiebranche setzen auf diese klimaneutrale Alternative. Eine weitere Stellschraube ist das Nationale Dekarbonisierungsprogramm. Die Entwicklung und Implementierung klimafreundlicher Produktionsprozesse in der emissionsintensiven Industrie (z. B. Stahl/Aluminium) werden durch dieses Programm gefördert. Die Bundesregierung fördert außerdem Innovationen und Lösungsansätze, die von Unternehmen oder Forschungseinrichtungen entwickelt und umgesetzt werden, um CO2-Emissionen zu reduzieren.[5]
Zum Jahresanfang ist in Deutschland die CO2-Bepreisung auf fossile Brennstoffe (Erdgas, Diesel, Benzin etc.) eingeführt worden. Die Kostenrisiken werden durch diese Bepreisung von vielen Industrieunternehmen stärker wahrgenommen. Um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, stimmen fast die Hälfte der Industrieunternehmen (47%) der Aussage zu, dass die eigene Branche Entlastungen bei der CO2-Bepreisung benötigt. 40% der Industrieunternehmen sehen ihre Wettbewerbsfähigkeit durch diese gefährdet. Nur 19% der Industrieunternehmen sehen in der Bepreisung eine geeignete Maßnahme für die Energiewende.
Laut IHK-Energiewende-Barometer sieht die Industriebranche die Energiewende im Bereich Wettbewerbsfähigkeit sehr unterschiedlich: über 40% schätzen die Energiewende als negativ ein, über 30% neutral und knapp 20% sehen positive Auswirkungen auf den Wettbewerb. Mehr als die Hälfte der Unternehmen hat sich Klimaneutralität als betriebliches Ziel gesteckt (56% der befragten Industrieunternehmen). [6]